Extreme Strahlendusche: Vor 14.300 Jahren wurde die Erde vom stärksten bisher bekannten Sonnensturm getroffen. Die Intensität der energiereichen kosmischen Strahlung war um mehr als das Zehnfache höher als bei allen Sonnenstürmen der Neuzeit und doppelt so hoch wie bei den stärksten historischen Ereignissen dieser Art, wie Forschende berichten. Belege dafür lieferten außergewöhnliche Isotopenwerte in Baum-Jahresringen und Eisbohrkernen aus dieser Zeit.
Starke Sonnenstürme sind eine potenzielle Gefahr für Satelliten, Kommunikationssysteme und die Stromnetze der Erde. 1972 sorgte ein solcher Einstrom energiereicher Teilchen für weltweite Störungen der Elektronik und Telekommunikation. 1967 lösten ein solarer Strahlenausbruch sogar fast einen Atomkrieg aus. Doch schon vor Beginn direkter Beobachtungen von Sonnenstürmen wurde die Erde mehrfach von zehnfach stärkeren Strahlungsausbrüchen getroffen – zuletzt in den Jahren 660 vor Christus und in den Jahren 775 und 993 unserer Zeitrechnung.
Indizien für solche sogenante Myake-Ereignisse liefern unter anderem stark erhöhte Werte des Kohlenstoff-14-Isotops (14C), das durch Wechselwirkung kosmischer Strahlung mit Lufteilchen gebildet werden kann. „Extreme solare Flares und koronale Massenauswürfe können kurze Schübe energiereicher Teilchen erzeugen, die sich als gewaltige Spitzen in den Radiokarbonwerten zeigen“, erklärt Erstautor Edouard Bard vom europäischen Forschungszentrum, CEREGE in Frankreich.
C14-Spitze in 14.300 Jahre alten Baumringen
Jetzt hat das Team um Bard erneut Hinweise auf eine historische Strahlendusche entdeckt – es handelt sich um das bisher stärkste je identifizierten Ereignis dieser Art. Indizien dafür fanden die Forschenden in den Jahresringen einiger abgestorbener Baumstämme, die halb versunken im Drouzet-Fluss in den südlichen französischen Alpen stehen. Ihren Jahresringen zufolge sind diese halb fossilierten Stämme bereits mehr als 14.300 Jahre alt.
Bei der Radiokarbon-Analyse der Jahresringe einiger dieser Bäume entdeckten Bard und seine Kollegen einen abrupten, starken Anstieg der vor 14.300 Jahren im Holz eingelagerten Kohlenstoff-14-Isotope. Aus früheren Studien ist bekannt, dass starke Sonnenstürme nicht nur solche Spitzen in den Radiokarbonwerten verursachen, sondern parallel dazu auch erhöhte Werte des Isotops Beryllium-10 hinterlassen. Deshalb suchten Bard und sein Team als nächstes nach einem korrespondierenden Beryllium-10-Anstieg in Eisbohrkernen des North Greenland Ice Core Project (NGRIP).
Stärkster je dokumentierter Strahlungseinstrom
Tatsächlich wurden die Wissenschaftler auch im Eis fündig. Dies bestätigt, dass vor rund 14.300 Jahren ein extremer Schub energiereicher Teilchen und Strahlung die Erde traf. Dieses Ereignis war den Daten zufolge noch einmal doppelt so stark wie alle bisher bekannten Myake-Ereignisse. Die Ursache dieser massiven Strahlendusche ist noch ungeklärt, wie das Team berichtet. Sie vermuten jedoch, dass es sich um einen ungewöhnlich starken Sonnensturm gehandelt haben könnte.
Hätte sich dieser Sonnensturm heute ereignet, wären die Folgen erheblich: „Extreme Sonnenstürme können die Transformatoren in unseren Stromnetzen zerstören und damit ausgedehnte Blackouts auslösen, deren Behebung Monate dauern könnte“, sagt Koautor Tim Heaton von der University of Leeds. „Außerdem können sie die Satelliten außer Betrieb setzen, von denen unsere Navigationssysteme und Telekommunikation abhängen. Für Astronauten wäre ein solcher Sonnensturm ein schweres Strahlenrisiko.“
Solare Risiken noch kaum verstanden
Nach Ansicht der Forschenden demonstriert der extreme Strahlungs-Schub vor 14.300 Jahren, dass das Verhalten unsere Sonne und das mögliche Ausmaß ihrer Ausbrüche noch lange nicht vollständig verstanden sind. Umso wichtiger sei es daher, das Ausmaß, die Ursachen und die Häufigkeit historischer Myake-Ereignisse möglichst genau zu erforschen – nur dann könne man sich auch entsprechend vorbereiten.
„Ein genaues Wissen dieser Vergangenheit ist essenziell, wenn wir potenzielle Risiken in unserer Zukunft vorhersagen wollen“, sagt Heaton. „Hierbei haben wir noch vieles zu lernen.“ (Philosophical Transactions of the Royal Society A, 2023; doi: 10.1098/rsta.2022.0206)
Quelle: University of Leeds