Interstellarer Fang: Aus den Fangpaddeln der NASA-Sonde Stardust haben Forscher sieben winzige Körnchen gefischt, die aus dem Weltall jenseits des Sonnensystems stammen. Dadurch konnten sie erstmals solchen interstellaren Staub im Labor untersuchen – und erlebten einige Überraschungen. Denn Größe, Zusammensetzung und Struktur wichen deutlich von den bisherigen Annahmen ab, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Als die NASA-Mission Stardust im Jahr 1999 startete, hatte sie ein ehrgeiziges Ziel: Sie sollte erstmals Proben aus dem Staubschweif des Kometen Wild-2, aber auch von interstellarem Staub sammeln, der durch das Sonnensystem strömt. Dafür trug die Sonde ein drehbares, tennisschlägergroßes Fangpaddel aus Aluminiumstreben und jeweils 132 Waben aus einem speziellen Aerogel auf Vorder- und Rückseite. Um die Fangpaddel samt Proben zurückzubringen, flog die Sonde 2006 nahe an der Erde vorbei und warf die mit einem Fallschirm ausgestatteten Paddel ab.
Internetnutzer halfen bei der Fahndung
Für die Forscher des Stardust-Projekts begann nun die schwierigste Arbeit: die Spuren und Partikel in dem Aerogel aufzuspüren. Mikrometer für Mikrometer müssen dafür die Fangpaddel abgesucht werden. Um diese Aufgabe zu bewältigen, baten die Wissenschaftler die Öffentlichkeit um Hilfe: Im Projekt stardust@home halfen Freiwillige, die mehr als 1,5 Millionen Fotos des Aerogels nach Staubspuren abzusuchen. Nach Durchsicht von 77 der 132 Waben wurden so drei Partikel entdeckt, die sich nach ersten Analysen als höchstwahrscheinlich interstellaren Ursprungs erwiesen.
Mehrere Forschergruppen suchten zudem die mit Aluminium ummantelten Streben des Paddels nach Einschlagsspuren von Staub ab. „Weil die Staubkrater weniger als einen tausendstel Millimeter klein sind, haben wir die Folie Stück für Stück mit einem Elektronenmikroskop angeschaut“, berichtet Jan Leitner vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Doch die Mühe lohnte sich: Auch im Aluminium entdeckten die Forscher vier weitere interstellare Staubreste.
Überraschend unterschiedlich
Die sieben Minikörnchen wiegen zusammen nur wenige Pikogramm – doch ihr Wert für die Forschung ist nicht in Gold aufzuwiegen: „Dies sind enorm wertvolle Teilchen“, konstatiert Hauptautor Andrew Westphal von der University of California in Berkeley. Denn zum ersten Mal können Astronomen nun im Labor die Zusammensetzung, Struktur und Größe solcher interstellarer Staubteilchen direkt untersuchen.
Und prompt gab es einige Überraschungen: „Wir haben festgestellt, dass die Größe, die elementare Zusammensetzung und die Struktur der Partikel extrem unterschiedlich sind. Das hatten wir nicht erwartet“, sagt Peter Hoppe vom Max-Planck-Institut für Chemie. So haben die größeren Partikel eine ungewöhnlich „fluffige“, lockere Struktur ähnlich einer Schneeflocke. Zudem enthalten drei der aus dem Aluminium geborgenen Partikel Schwefelverbindungen – die nach Ansicht einiger Astronomen in interstellarem Staub nicht vorkommen dürften.
Kristallin statt amorph
Überraschend auch: Zwei der größeren Körnchen – „Orion“ und „Hylabrook“ getauft – besitzen eine kristalline Struktur. Doch nach gängiger Theorie müsste ein Großteil der ursprünglich kristallinen interstellaren Staubkörner durch energiereiche kosmische Strahlung und Schockwellen in amorphe Trümmer umgewandelt werden. „Die Tatsache, dass die beiden größten Partikel aus kristallinem Olivin bestehen, könnte darauf hindeuten, dass sie aus der Staubscheibe um einen fernen Stern kommen“, sagt Westphal. Beide Körnchen sollen jetzt noch weiteren Tests unterzogen werden, darunter Analysen ihrer Sauerstoff-Isotope, die ihren interstellaren Ursprung noch weiter erhärten könnten.
Für die freiwilligen Helfer des stardust@home-Projekts und die Wissenschaftler ist die Arbeit ebenfalls noch nicht erledigt: Es warten immer noch fast die Hälfte der Aerogel-Waben auf eine Auswertung. In Anerkennung ihrer wertvollen Mithilfe listet die Veröffentlichung unter den Autoren auch „30.714 Stardust@home Dusters“ auf – „Dusters“ ist dabei der Spitzname für die staubsuchenden Helfer weltweit. (Science, 2014, doi: 10.1126/science.1252496)
(Science/ University of California, 15.08.2014 – NPO)