Nach fast sieben Jahren im All und einer Flugstrecke von 4,6 Milliarden Kilometern, ist die NASA-Raumsonde Stardust mit winzigen Staubteilchen und Proben aus dem Schweif des Kometen Wild 2 „im Gepäck“ sicher zur Erde zurückgekehrt. Die Transportkapsel des größten „Staubsaugers der Welt“ legte um 11.12 Uhr MEZ in der Wüste des US-Bundesstaats Utah südwestlich von Salt Lake City eine Bilderbuchlandung hin. Stardust selbst soll in Zukunft weiter die Sonne umrunden.
Die Wissenschaftler erhoffen sich von der Untersuchung der Staubpartikel, die meist nicht einmal einen halben Millimeter „dick“ sind, wertvolle Hinweise auf die Zusammensetzung der Bausteine, aus denen sich einst unsere Sonne, die Planeten und nicht zuletzt das Leben entwickelte.
Die Beantwortung dieser elementaren Fragen ist zu wichtig, als dass sich Spitzenforscher aus den USA allein daran wagen würden. Eine kleine Gruppe von Physikern, Chemikern und Geowissenschaftlern weltweit wird innerhalb der nächsten sechs Monate die Voruntersuchungen durchführen. Zu dem ausgewählten Kreis von Spitzenforschern gehört auch der Frankfurter Geowissenschaftler Frank E. Brenker mit seinem Team. Für ihn wird schon bald der Traum wahr, Stückchen eines Kometenschweifs in Händen zu halten.
Nach einer kurzen Phase der Öffnung, Sicherung und Präparation werden die ersten Stücke Mitte Februar in Frankfurt im Institut für Mineralogie der Universität erwartet. Es wird sich um winzige Partikel mit einer Größe von etwa zehn Mikrometer, also einem Hundertstel Millimeter, handeln.
Glücksfall Komet Wild 2
Komet Wild 2 stellt in vielerlei Hinsicht einen Glücksfall dar. Er wurde erst vor wenigen Jahren durch das Gravitationsfeld des Planeten Jupiter auf eine Bahn in der Nähe der Sonne abgelenkt. Der Komet, der einem riesigen schmutzigen Schneeball gleicht, begann in der Nähe der Sonne zu schmelzen. Dabei löst er sich langsam auf und bildete einen Schweif aus feinsten Partikeln von Staub und Eis. Durch diesen Schweif hindurch flog die Stardust-Sonde und sammelte Partikel auf, die mit der erstaunlichen Geschwindigkeit von über 20.000 km/h auf die Sonde trafen. Das Auffangen der Partikel erfolgte mit einem neuartigen Hightech-Schaum, dem Aerogel, das aus circa 99,99 Prozent Luft und einem Gerüst aus Siliziumoxid besteht. Hierin werden die auftreffenden Partikel innerhalb weniger Millimeter schonend abgebremst.
Die für Frankfurt bestimmten Proben werden allerdings nicht in Frankfurt, sondern von einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Frank Brenker ab Anfang März in Grenoble an der ‚European Synchroton Radiation Facility‘ (ESRF) untersucht, um genauere Aufschlüsse über die chemische Zusammensetzung der winzigen Partikel zu bekommen.
Das ESRF ist eine Art Röntgen-Supermikroskop in dem Elektronen in einem fast 1.000 m langen Ring auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Dabei beginnen die Elektronen zu ‚leuchten‘. Der so erzeugte hoch-energetische Röntgenstrahl lässt sich durch viele ausgeklügelte Tricks und aufwendige Apparaturen auf einen Punkt von nur 200nm bündeln (ein nm ist ein millionstel Millimeter) und dabei noch mit geradezu unvorstellbarer Präzision steuern. Das Forscherteam ist zuversichtlich, die Struktur und Chemie der Körner exakt und dreidimensional messen zu können. Bei einer von der NASA initiierten Testmessung im letzten Jahr konnte diese Aufgabe mit einer bis dahin unerreichten räumlichen Auflösung durchgeführt werden.
Schnellster Wiedereintritt in die Erdatmosphäre
Wissenschaftler des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart haben dagegen am Sonntag die Rückkehr der Sonde, die mit etwa 12,8 Kilometern pro Sekunde den schnellsten Wiedereintritt eines künstlichen Objekts in die Erdatmosphäre vollzogen hat, mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt: Michael Winter und Georg Herdrich hatten im Rahmen einer Beobachtungsmission der NASA an Bord einer DC 8 Gelegenheit, den Wiedereintritt mit optischen Messungen zu begleiten.
Die Ergebnisse dieser Messungen sind für spätere interplanetare Missionen wie bei der Rückkehr vom Mars von größtem Interesse. Das IRS arbeitet an Simulationen zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und ist daher an aktuellen Daten interessiert, mit denen diese Verfahren überprüft und weiterentwickelt werden können.
Die Stuttgarter Fachleute sind die einzigen Europäer, die neben amerikanischen und japanischen Wissenschaftlern diese Gelegenheit nutzen konnten, Daten über den Wiedereintritt unter solch extremen Bedingungen zu sammeln. Michael Winter hat eines der Stuttgarter Experimente entwickelt, bei dem die Strahlung des das Raumfahrzeug umgebenden Plasmas in möglichst hoher spektraler Auflösung gemessen wird; auf diese Weise lassen sich Informationen über chemische und thermodynamische Prozesse gewinnen. Dabei musste die etwa 80 Zentimeter große Raumkapsel aus einer Entfernung von etwa 150 bis 400 Kilometern vom Flugzeug aus erfasst werden, um die Strahlung mit einem Spektrometer und einer hoch sensitiven Kamera spektral aufgelöst zu ermitteln.
Die nur etwa 90 Sekunden dauernde heiße Phase des Wiedereintritts sollte dabei zusätzlich mit einer möglichst hohen Messrate aufgelöst werden. Darüber hinaus steuerte das an der Uni Stuttgart angesiedelte Deutsche Sofia Institut eine Kamera mit einem Transmissionsgitter bei, die in gröberer spektraler Auflösung und mit längerer Integrationszeit, dafür aber mit einem höheren Sichtwinkelbereich ebenfalls Spektren der Strahlung aufgenommen hat.
(Universität Frankfurt, Universität Stuttgart, NASA, 16.01.2006 – DLO)