Astronomie

Sternen-X im Herzen der Milchstraße

Astronomen erstellen die bislang beste 3D-Karte vom Zentralbulge unserer Galaxie

So würden die Milchstraße und ihr erdnussförmiger Bulge von der Seite aussehen: Der zentrale Bulge erscheint als ein erdnussförmiger, glühender Ball aus Sternen und die Spiralarme und ihre zugehörigen Staubwolken bilden ein schmales Band. © ESO/ NASA/JPL-Caltech/ M. Kornmesser/ R. Hurt

Im Herzen unserer Milchstraße steht ein rätselhaftes X aus Sternen. Das zeigt die bisher genaueste dreidimensionale Kartierung der Zentralwölbung der Galaxie. Demnach gleicht die dichteste Zone der Milchstraße von der Seite einer eingedellten Erdnuss oder einem X und von oben einem Balken. Diese Beobachtungen sind wichtig, weil sie neues Licht darauf werfen, wie unsere Galaxie einst ihre heutige Form bekam.

Einer der wichtigsten und massereichsten Teile unserer Heimatgalaxie ist der sogenannte Bulge, eine zentrale Verdickung der Milchstraße. Diese riesige, zentrale Wolke aus etwa zehn Milliarden Sternen hat einen Durchmesser von Tausenden von Lichtjahren. Bislang jedoch war es nicht gelungen ihre Struktur und ihren Ursprung nachzuvollziehen. Unglücklicherweise ist die Sicht von unserem Standort in der galaktischen Scheibe auf diese zentrale Region durch dichte Gas- und Staubwolken stark eingeschränkt.

Rote Riesen als Kartierungshilfe

Astronomen können nur dann einen guten Blick auf den Bulge bekommen, indem sie bei längeren Wellenlängen beobachten, zum Beispiel im Infrarotlicht, das Staubwolken durchdringen kann. Frühere Beobachtungen im Rahmen der 2MASS Infrarot-Himmelsdurchmusterung hatten bereits angedeutet, dass der Bulge eine rätselhafte X-förmige Struktur besitzen könnte. Nun haben zwei Forschergruppen anhand neuer Beobachtungen mit mehreren ESO-Teleskopen einen viel klareren Blick auf die Struktur des Bulge bekommen.

Christopher Wegg vom Max-Planck-Institut für Extraterrestische Physik (MPE) in Garching und seine Kollegen verwendeten die VVV-Nahinfrarot-Durchmusterung des VISTA-Teleskops am Paranal-Observatorium der ESO in Chile. Diese neue Durchmusterung kann dreißig Mal leuchtschwächere Sterne detektieren als frühere Surveys. Das Astronomenteam identifizierte damit insgesamt 22 Millionen Sterne, die zu einer Unterklasse der Roten Riesen gehören und deren wohlbekannte Eigenschaften es erlauben, ihre Entfernungen zu bestimmen. Daraus konnte die Astronomen dann eine dreidimensionale Karte der Bulge-Struktur zusammensetzen.

Das 3,6-Meter-Teleskop der ESO auf La Silla vor der Milchstraße. Über der Teleskopkuppel, hier vom Mond angeleuchtet und zum Teil hinter dunklen Staubwolken verborgen, befindet sich der gelbliche und hervorstehende zentrale Bulge. © ESO/ S. Brunier

Erdnuss und Balken in einem

„Es ist das erste Mal, dass solch eine Karte ohne die Annahme eines Models für die Form des Bulges erstellt werden konnte”, erklärt Wegg. Wie sich zeigte, ähnelt die innere Region unserer Galaxie von der Seite einer Erdnuss, eingehüllt in ihre Schale. Von oben dagegen sieht sie eher wie ein langgezogener Balken aus. Ähnliche erdnussförmige Strukturen wurden schon in den Bulges anderer Galaxien beobachtet. Ihre Entstehung lässt sich mit Computersimulationen vorherberechnen, die zeigen, dass die Erdnussform von Sternen gebildet wird, die sich in einer X-förmigen Struktur anordnen.

Ergänzend dazu konzentrierte sich das zweite Forscherteam um Sergio Vásquez von der Pontificia Universidad Católica de Chile auf die Bewegung der Sterne im Bulge – und damit dessen dynamische Struktur. Sie ermittelten diese, indem sie Aufnahmen des MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop verglichen, die im Abstand von elf Jahren erstellt wurden. Dadurch konnten sie die Bewegungen von mehr als 300 Sternen in drei Dimensionen kartieren.

Sternenwanderung im X

„Es ist das erste Mal, dass man eine so große Anzahl an Geschwindigkeiten in drei Dimensionen für einzelne Sterne von beiden Seiten des Bulges ermitteln konnte”, fasst Vásquez zusammen. „Die Sterne, die wir beobachtet haben, scheinen entlang der Arme eines X-förmigen Bulges zu wandern, während ihre Umlaufbahnen sie auf und ab und dabei sogar aus der Ebene der Milchstraße heraus führen.”

Die Astronomen gehen davon aus, dass sich die Form der Milchstraße erst allmählich herausgebildet hat. Anfangs noch eine Scheibe aus Sternen, entwickelte sie vor Milliarden von Jahren einen flachen Balken. Dessen innerer Teil wölbte sich anschließend auf und nahm die dreidimensionale, erdnussförmige Gestalt an, die in den neuen Beobachtungen zu sehen ist.

(ESO, 13.09.2013 – NPO)

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