Astronomie

Sternentod verrät intermediäres Schwarzes Loch

Astronomen entdecken seltene Zwischenform im Herzen einer Zwerggalaxie

Tidal Disruption Event
Durch den Strahlenausbruch beim Zerreißen eines Sterns hat sich das neu entdeckte intermediäre Schwarze Loch verraten. © NASA/CXC, M. Weiss

Auf dem Weg zum Giganten? Der Tod eines Sterns im Herzen einer Zwerggalaxie hat Astronomen zur Entdeckung eines intermediären Schwarzen Lochs verholfen – einer seltenen und bisher kaum erforschten Klasse Schwarzer Löcher. Verraten hat sich das rund 100.000 Sonnenmassen schwere Schwarze Loch durch die Strahlenexplosion beim Sternetod. Der Fund legt nahe, dass sich auch im Zentrum anderer Zwerggalaxien solche „halbwüchsigen“ Schwarzen Löcher verbergen könnten.

Neben stellaren Schwarzen Löchern und den supermassereichen Giganten im Herzen von Galaxien wie der Milchstraße gibt es noch eine dritte Kategorie: intermediäre Schwarze Löcher. Sie sind mehrere tausend bis hunderttausend Sonnenmassen schwer und gelten als mögliche Vorstufen für die supermassereichen Schwarzen Löcher. Doch wie sie entstehen, wo sie vorkommen und wie sie sich weiterentwickeln, ist weitgehend ungeklärt – auch weil Astronomen bisher nur eine Handvoll solcher intermediärer Schwarzer Löcher aufgespürt haben.

AT 2020neh
Auch das Hubble-Weltraumteleskop hat die Strahlung des Tidal Disruption Events (Mitte) in der fernen Zwerggalaxie detektiert© NASA/ ESA, Ryan Foley/ UC Santa Cruz

Fernes Aufleuchten verrät Sternentod

Jetzt hat ein Team um Charlotte Angus vom Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen ein weiteres Exemplar dieser seltenen Schwarzen Löcher aufgespürt. Entdeckt haben sie es durch einen hell aufleuchtenden Strahlenausbruch in einer rund 900 Millionen Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie. Mehrere Teleskope, darunter die Zwicky Transient Facility in Kalifornien, hatten ab dem 17. Juni 2020 das Aufleuchten detektiert und verfolgt. Dadurch konnten die Astronomen den Verlauf und das Spektrum des Ereignisses im Detail auswerten und auf die Ursache schließen.

Demnach muss der Strahlenausbruch in der Zwerggalaxie SDSS J152120.07+140410.5 auf das Zerreißen eines Sterns durch ein zentrales Schwarzes Loch zurückgehen, wie Angus und ihr Team berichten. Bei einem solchen Tidal Disruption Event (TDE) erzeugt die Schwerkraft im Umfeld des Schwarzen Lochs so starke Gezeitenkräfte, dass der Stern auseinanderbricht und unter Abgabe energiereicher Strahlung verschlungen wird.

Intermediäres Schwarzes Loch als „Täter“

Das Entscheidende jedoch: Weil die Astronomen dieses Ereignis von Beginn an beobachten konnten, verriet es ihnen auch mehr über den Urheber. Denn das Tempo, mit dem die Strahlung bei einem solchen Sternentod ansteigt, liefert Rückschlüsse auf die Masse des Schwarzen Lochs. Im Fall des AT2020neh getauften Strahlenausbruchs dauerte es vom ersten Aufleuchten bis zum Maximum rund 13 Tage – dies ist für ein Tidal Disruption Event relativ schnell.

Aus diesen Werten schließen die Astronomen, dass das Schwarze Loch im Zentrum der fernen Zwerggalaxie „nur“ rund 100.000 Sonnenmassen schwer ist. Damit muss es sich um eines der seltenen intermediären Schwarzen Löcher handeln. „Die Tatsache, dass wir dieses mittelgroße Schwarze Loch erwischt haben, während es einen Stern verschlang, eröffnete uns die bemerkenswerte Chance, dieses normalerweise verborgene Objekt zu entdecken“, sagt Angus.

Rätsel um Entstehung von Schwerkraftgiganten

Die Entdeckung liefert wertvolle Informationen darüber, wo sich intermediäre Schwarze Löcher finden und wie aus ihnen möglicherweise noch größere Schwerkraftgiganten werden. Denn einer gängigen Theorie nach entstand diese Zwischenform Schwarzer Löcher im frühen Kosmos gemeinsam mit den ersten Zwerggalaxien. Weil die Masse der Wirtsgalaxie und die des zentralen Schwarzen Lochs eng zusammenhängen, waren auch diese ersten Löcher in Galaxienzentren noch relativ massearm.

Als diese Zwerggalaxien dann durch Kollisionen mit galaktischen Nachbarn allmählich heranwuchsen, verschmolzen auch ihre Schwarzen Löcher und nahmen so an Masse zu. Im Laufe der Zeit bildeten sich so die supermassereichen Schwerkraftgiganten, die heute im Zentrum der Milchstraße und anderer großer Galaxien liegen – so die Theorie. Doch bisher mangelte es diesem Szenario an Belegen.

Sind intermediäre Löcher die Vorformen?

Der Fund eines intermediären Schwarzen Lochs im Herzen einer Zwerggalaxie – genau dort, wo es die Theorie vorhersagt – liefert nun einen ersten Hinweis darauf, dass diese Vorstellung stimmen könnte. Nach Ansicht der Astronomen könnten demnach auch in Zentrum anderer Zwerggalaxien intermediäre Schwarze Löcher verborgen liegen. Sie aufzuspüren, ist allerdings extrem schwierig. Denn die geringe Größe und schwache Aktivität dieser Objekte macht sie weitgehend unsichtbar – sofern sie nicht gerade einen Stern zerreißen wie bei AT 2020neh.

„Wenn wir die Population der intermediären Schwarzen Löcher dort draußen besser verstehen – wie viele es gibt und wo sie liegen – dann hilft uns dies zu ermitteln, ob unsere Theorien zur Bildung der supermassereichen Schwarzen Löcher richtig sind“, erklärt Angus‘ Kollege Enrico Ramirez-Ruiz. Die gezielte Suche nach Tidal Disruption Events könnte jedoch dazu beitragen, mehr von diesen Objekten aufzuspüren. (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-022-01811-y)

Quelle: Nature Astronomy, University of California – Santa Cruz

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