Taktgebende Ströme: Astronomen könnten den Motor des elfjährigen Sonnenzyklus gefunden haben. Demnach gibt es im Sonneninneren zwei große Umwälzströme, die rund 22 Jahre für einen Umlauf benötigen – und dies entspricht genau dem Intervall zwischen zwei magnetisch gleichen solaren Maxima. Gleichzeitig erklären die beiden großen Nord-Süd-Ströme, warum die Sonnenflecken im Zyklusverlauf ihre Lage ändern, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Die Aktivität unserer Sonne schwankt in einem relativ regelmäßigen Rhythmus: Etwa alle elf Jahre erreichen Sonnenflecken und solare Ausbrüche ein Maximum, auch Sonnenstürme häufen sich.
Gleichzeitig polt sich auf dem Höhepunkt dieses Zyklus das solare Magnetfeld um, so dass zwischen zwei Maxima mit gleicher Polung 22 Jahre liegen. Nach jedem Maximum ebbt die Aktivität wieder ab und unser Stern durchläuft eine eher ruhige Phase.
Rätsel um den Motor des Zyklus
Doch was treibt diesen Elf-Jahres-Zyklus an? Schon länger vermuten Astronomen, dass die Triebkraft für diesen Takt in den Strömungen des Sonneninneren liegt – von diesen gibt es allerdings viele. So scheinen turbulente Plasmaströmungen nahe der Oberfläche, der sogenannte Alpha-Dynamo, für Teile des solaren Magnetfelds verantwortlich zu sein. Ihr Verhalten könnte einer Hypothese zufolge vielleicht sogar durch Konjunktionen der Planeten beeinflusst werden.
Zusätzlich aber gibt es eine zweite, weit größere Strömungszone in der Konvektionsschicht, die bis in 200.000 Kilometer Tiefe reicht. Angetrieben von Temperaturunterschieden, bilden sich dort großräumige Strömungen, die sich je nach geografischer Breite und Tiefe mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Richtung bewegen. Wie diese solaren Strömungen jedoch konkret verlaufen und in welchem Tempo, war bisher nur in Ansätzen bekannt.
Sonnenbeben verraten Strömungsmuster
Jetzt haben Laurent Gizon vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und sein Team erstmals den Lauf der Nord-Süd-Strömungen im Sonneninnern näher bestimmt. Möglich war dies mit der Methode der Helioseismologie. Bei dieser beobachten Astronomen subtile Beben, die durch die Sonne laufen und dabei in ihrer Laufzeit von den inneren Strömungen beeinflusst werden. Weil diese solaren Beben auch die Oberflächenbewegungen des Plasmas verändern, lassen sie sich mit erdbasierten Sonnenteleskopen und Sonnenobservatorien im Weltall mitverfolgen.
Um jedoch Aufschluss über die Konvektionsströme im Inneren zu erhalten, muss man diese Sonnenbeben über lange Zeiträume hinweg und am besten mit mehreren Instrumenten mitverfolgen. Genau dies ist nun gelungen. Für ihre Studie haben die Forscher Langzeit-Messreihen der Satelliten SOHO und Solar Dynamics Observatory (SDO) ausgewertet, sowie die Daten eines internationalen Netzwerks von sechs erdbasierten Sonnenteleskopen.
Zwei große Umwälz-Kreisläufe
Das Ergebnis: Die Konvektionsströme im Inneren der Sonne folgen einer bemerkenswert einfachen Geometrie: Auf jeder Hemisphäre unseres Sterns gibt es eine große Umwälzströmung. Sie befördert das Plasma an der Oberfläche vom Äquator weg und am Grund der Konvektionsschicht zum Äquator hin. Dadurch existiert auf jeder Halbkugel der Sonne ein nahezu geschlossener Plasmakreislauf, wie Gizon und seine Kollegen berichten.
Die Plasmaströme am Boden der Konvektionszone bewegen sich dabei nur mit Schrittgeschwindigkeit. Sie fließen mit 15 Kilometer pro Stunde Richtung Äquator, wie die Messungen ergaben. An der Oberfläche, wo das Plasma einen längeren Weg zum Pol zurücklegen muss, strömt es dagegen mit bis zu 50 Kilometer pro Stunde.
Ein Umlauf entspricht zwei Elf-Jahres-Zyklen
Das Interessante daran: Aus diesem Tempo der Plasmabewegungen ergibt sich ein Strömungskreis, der 22 Jahre für einen Umlauf benötigt. Dies entspricht genau dem Abstand von zwei gleichgepolten Maxima im Sonnenzyklus – und könnte damit die physikalische Erklärung für diesen „Takt“ der solaren Aktivität liefern. „Im Lauf des Sonnenzyklus wirken die Plasmaströme in Nord-Süd-Richtung wie eine Art Förderband, das die Magnetfelder mitreißt und so die Dauer eines Zyklus bestimmt“, erklärt Gizon.
Und noch etwas könnte die Plasma-Kreisströmung erklären: Im Verlauf eines Sonnenzyklus verschieben sich die Sonnenflecken von den mittleren Breiten immer weiter in Richtung Äquator. Wie die Forscher beobachteten, entspricht diese Verlagerung der Bewegung der oberflächlichen Magnetfelder, wenn diese von der Nord-Süd-Strömung mitgeschleppt werden. „Unsere Studie stützt die Vorstellung, dass die Ströme in Nord-Süd-Richtung für das Verschieben der Entstehungsorte von Sonnenflecken zum Äquator hin verantwortlich sind“, sagt Gizons Kollege Robert Cameron.
Damit könnte das Rätsel um die Triebkraft des elfjährigen Sonnenzyklus zumindest zum Teil beantwortet sein. Warum allerdings die beiden großen Umwälzströmungen ausgerechnet 22 Jahre für einen Umlauf brauchen und ob dies nur bei der Sonne so ist, müssen die Wissenschaftler noch herausfinden. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aaz7119)
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung