Mit einem Spektrometer an Bord der ESA-Raumsonde Venus Express ist es Wissenschaftlern gelungen, unter der undurchsichtigen, mächtigen Kohlendioxydatmosphäre die Temperaturen auf der Oberfläche der Venus zu messen. Aus Infrarot-Signalen in bestimmten Wellenlängen konnte damit die erste Karte der Temperaturverteilung eines großen Gebiets auf der Südhalbkugel der Venus erstellt werden. Die Temperaturunterschiede zwischen den Tiefländern und den mehrere Kilometer hohen Bergmassiven der Venus betragen bis zu 30 Grad Celsius. Allerdings liegen die Durchschnittstemperaturen auf der Venus bei 460 Grad Celsius, einer Hitze, die sogar Blei schmelzen lassen würde.
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In bestimmten Infrarotwellenlängen, so genannten „atmosphärischen Fenstern“, durchdringt die Wärmeabstrahlung der Venusoberfläche die 100 Kilometer mächtige Atmosphäre – diese Signale werden von dem Spektrometer VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) auf Venus Express erfasst. „Die Messungen der Temperaturen mit dem Spektrometer zeigen eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit den Höhenmessungen der amerikanischen Mission Magellan aus den 90er-Jahren“, erläutert Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof, der Mitglied im VIRTIS-Team von Venus Express ist. Die Raumsonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA umrundet den Nachbarplaneten der Erde seit dem 11. April 2006.
Rechenmodell entfernt Atmosphäre
Die Wissenschaftler wenden für ihre Untersuchungen ein eigens entwickeltes Rechenmodell an, das gewissermaßen Schicht für Schicht die zur Messung der Oberflächentemperatur störende Atmosphäre aus den komplexen Daten entfernt. „Inzwischen verstehen wir sehr genau, was wir aus unseren Messungen herauslesen können“, erklärt Helbert. „Mit diesem Rechenprogramm zur 'Wolkenentfernung' sind wir in der Lage, die Temperaturen am Boden genau zu messen. Die Ergebnisse sind ziemlich eindeutig.“
Mit dem „M-Kanal“ von VIRTIS soll es Venus Express gelingen, erstmals systematisch eine bildhafte Wärmekarte der Oberfläche und der oberflächennahen Atmosphärenschichten zu erstellen. VIRTIS-M nutzt dabei zwei Wellenlängenbereiche: Zum einen das Spektrum zwischen 0,25µm und 1,0µm (sichtbares Licht bis nahes Infrarot) und zum anderen zwischen 1,0µm und 5,0µm (Grenze zum mittleren Infrarot). Der zweite Teil des Experiments besteht aus dem hochauflösenden Spektroskopiekanal VIRTIS–H zur punktuellen Erstellung von Infrarotspektren der Venusatmosphäre.
Atmosphärische Fenster
„Für die Temperaturmessungen der Oberfläche nutzen wir von den 120 Spektralkanälen von VIRTIS gerade einmal drei. Aber diese atmosphärischen Fenster sind die einzige Möglichkeit, etwas über die Oberfläche der Venus zu lernen“, sagt Jörn Helbert. „Wir sind die Ersten, die aus einer Umlaufbahn der Venus durch diese Fenster blicken“, sagt Helbert. Die Temperaturmessungen der Oberfläche erfolgen in den Wellenlängen 1,02µm, 1,10µm und 1,18µm. In diesen spektralen Fenstern dringt die vom Boden der Venus abgestrahlte Hitze nach außen und kann von VIRTIS aus der Umlaufbahn aufgezeichnet werden.
Die Sonde befand sich zum Zeitpunkt der Messungen am 10. August 2006 in ihrem 112. Orbit in einer Entfernung von etwa 60.000 Kilometern. Die Wärmestrahlung ist trotz des Blicks durch die atmosphärischen Fenster immer noch von Absorptions- und Streueffekten in den Wolken- und Dunstschichten beeinflusst. Aus diesem Grund wendet Jörn Helbert eine Art „Wolkenschieber“ an, eine Rechenprozedur, mit der diese störenden Effekte beseitigt werden und am Ende unverfälschte Temperaturangaben gemacht werden können.
Temperaturen Tag und Nacht gleich
Es gibt auf der Venus zwischen Tag und Nacht keine Temperaturunterschiede. Die Hitze ist global unter der hundert Kilometer hohen Kohlendioxydatmosphäre gefangen und kann nicht nach oben ins Weltall entweichen. Variationen in den Temperaturen ergeben sich, wie auf der Erde, aus der unterschiedlichen Höhenlage von Bergen – dort ist es mit 447 Grad Celsius etwas „kälter“ – oder Tiefebenen, wo es 20-30 Grad Celsius wärmer ist. Verantwortlich für die insgesamt extrem hohen Temperaturen von um die 460 Grad Celsius ist ein massiver Treibhauseffekt, dessen Wirkungsweise noch nicht in allen Einzelheiten verstanden ist. Der Luftdruck am Boden ist etwa 90 Mal höher als auf der Erde.
Mithilfe der topographischen Karten der Magellan-Mission ist die Landschaft der Venus sehr detailreich vermessen worden, doch verblieben einige Lücken, in denen keine Daten vorliegen. Beim VIRTIS-Experiment werden diese Höhenangaben in einem ersten Schritt zur Vorhersage der erwarteten Temperaturen herangezogen: Dabei zeigen die VIRTIS-Daten einen hohen Grad an Übereinstimmung mit der Vorhersage. Darüber hinaus lassen sich kleinräumige, regionale Temperaturunterschiede feststellen. In einem nächsten Schritt werden die VIRTIS-Ergebnisse auf Anomalien untersucht, die beispielsweise auf besonders heiße Stellen hindeuten – so genannte „Hot Spots“, die einen möglicherweise aktiven Vulkan verraten würden. Umgekehrt kann mit den VIRTIS-Temperaturdaten auf die Topographie geschlossen werden und so die letzten Lücken der topographischen Magellan-Radarkarten geschlossen werden.
(DLR, 15.12.2006 – AHE)