Astronomie

„Tote“ Monstergalaxie gibt Rätsel auf

Gigant des frühen Universums stoppte plötzlich seine Sternbildung – aber warum?

XMM-2599
Die knapp zwölf Milliarden Jahre alte Riesengalaxie XMM-2599 erlebte erst eine Explosion der Sternbildung (links) und stoppte dann abrupt jede Aktivität – ein bislang unerklärliches Verhalten. © NRAO/AUI/NSF, B. SAXTON; NASA/ESA/R. FOLEY; NASA/ESA/STSCI, M. POSTMAN/CLASH

Unerklärlicher Stopp: Astronomen haben die bislang massereichste „tote“ Galaxie im Kosmos entdeckt – eine gigantische Sternenansammlung ohne jede Sternbildungs-Aktivität. Zwar umfasste dieser galaktische Riese schon zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall mehr als 300 Milliarden Sonnenmassen. Doch dann stoppte er plötzlich jegliche Sternbildung – ein Verhalten, dass mit gängigen Modellen nicht zu erklären ist.

Dank leistungsfähiger Teleskope blicken Astronomen heute immer weiter zurück in die Anfangszeit des Universums – und finden Überraschendes. Denn schon weniger als zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall existierten erstaunlich massereiche Galaxien, Quasare und Galaxienhaufen. Wie diese so schnell heranwachsen konnten, ist bisher nur in Teilen geklärt. Forscher vermuten aber, dass noch ältere, staubreiche Riesengalaxien mit extrem hoher Sternbildungsrate die Vorläufer dieser frühen Giganten gewesen sein könnten.

Uralt und rekordverdächtig massereich

Doch nun haben Astronomen um Benjamin Forrest von der University of California in Riverside eine frühe Monstergalaxie entdeckt, die nicht ins Bild passt. Es handelt sich um die rund zwölf Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie XMM-2599, eine Sternenansammlung, die rund 1,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall existierte. Mithilfe des Infrarot-Spektrographen des Keck-Observatoriums auf Hawaii haben die Forscher die Merkmale dieser Galaxie näher untersucht.

Die erste Überraschung: Trotz ihres hohen Alters enthält XMM.2599 bereits 300 Milliarden Sonnenmassen an Sternen – für dieses Alter ist dies ein neuer Rekord, wie die Forscher berichten. „Die Existenz so massereicher Galaxien wie XMM-2599 zu einem so frühen Zeitpunkt ist für unsere Modelle eine ziemliche Herausforderung“, sagt Forrests Kollegin Gillian Wilson. „Aber selbst wenn solche Galaxien in dieser Epoche unglaublich selten waren, können wir sie mit unseren Modellen nachbilden.“

Frühe Explosion der Sternbildung

„Wir haben festgestellt, dass XMM-2599 den größten Teil ihrer Sterne produzierte, als das Universum weniger als eine Milliarde Jahre alt war, berichtet Forrest. Zu dieser Zeit muss die Galaxie mehr als tausend Sonnenmassen an Sternen pro Jahr erzeugt haben – das ist eine extrem hohe Sternbildungsrate. Zum Vergleich: Unsere Milchstraße produziert gerade einmal einen einzigen Stern im Jahr.

Damit könnte diese Monstergalaxie ein direkter Nachkomme der staubigen Riesengalaxien sein, die als die ersten großen Sternfabriken des frühen Kosmos gelten. „Für solche Galaxien sagen die Modelle eine aktive Sternbildung mit hoher Rate voraus“, erklärt Wilson.

Plötzlicher Stopp sprengt die Theorien

Das Ungewöhnliche jedoch: Bei XMM-2599 hielt der erste große Schub der Sternbildung nicht lange an. Schon wenige hundert Millionen Jahre später – rund 1,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall – stoppte die Galaxie plötzlich die Produktion neuer Sterne. Sie ist damit nach galaktischen Maßstäben quasi tot. „Unsere Spektren bestätigen ihre quieszente Natur“, berichten die Forscher. „XMM-2599 ist damit die massereichste inaktive Galaxie dieser Zeit.“

Aber warum? Was könnte die extrem aktive Sternbildung dieser Galaxie so plötzlich abgewürgt haben? „Diese Galaxie repräsentiert die bisher größte Herausforderung für die theoretischen Modelle der Galaxienbildung“, konstatieren die Astronomen. Was einen so abrupten Stopp der Sternbildung bei diesem Giganten verursachte, können die Forscher daher nur vermuten. Möglich wäre, dass das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie dieser den Gasnachschub entzog oder dass Kollisionen das Gas so aufheizten, dass es nicht mehr kondensieren und Sterne bilden konnte.

Was wurde aus dem frühen Giganten?

Ebenso ungeklärt ist, was aus diesem „toten“ Giganten des frühen Kosmos wurde. Denn die Astronomen sehen diese ferne Galaxie nur in ihrem damaligen Zustand. „Vielleicht ist XMM-2599 in den folgenden 11,7 Milliarden Jahren der kosmischen Geschichte zu einem Mitglied der hellsten und massereichsten Galaxienhaufen in ihrem lokalen Universum geworden“, mutmaßt Koautor Michael Cooper von der University of California in Irvine. „Alternativ könnte sie auch einfach weiter in Isolation existiert haben. Oder irgendetwas dazwischen.“

Die Astronomen wollen diese rätselhafte Monstergalaxie nun weiter beobachten, in der Hoffnung, die vielen noch ungeklärten Fragen zu beantworten. (Astrophysical Journal, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/ab5b9f)

Quelle: University of California – Riverside

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