Verblüffende Entdeckung: Als die Raumsonde Voyager vor gut 34 Jahren am Uranus vorbeiflog, verlor der Planet gerade eine riesige Plasmablase mitsamt Teilen seiner Atmosphäre. Das enorme Gebilde war gut 200.000 Kilometer lang und 400.000 Kilometer dick, wie jetzt die alten Daten enthüllen. Es ist der erste Beleg dafür, dass auch die großen Eisplaneten solche Plasmoide abschnüren – und so im Laufe der Zeit Teile ihrer Atmosphäre verlieren.
Durch den Sonnenwind gehen den meisten Planeten im Sonnensystem Teile ihrer Gashüllen verloren. Besonders deutlich ist dieser Effekt bei unseren Nachbarn Mars und Venus, aber auch die Erde verliert trotz schützendem Magnetfeld ständig tonnenweise Sauerstoff an den umgebenden Weltraum. Ein Teil der atmosphärischen Gase wird dabei durch Plasmablasen mitgerissen, die sich vom flatternden Magnetschweif auf der Nachtseite des Planeten abschnüren. Solche Plasmoide wurden auch bei Jupiter und Saturn schon nachgewiesen.
Neuer Blick in 34 Jahre alte Voyager-Daten
Wie aber sieht es beim Uranus aus? Der ferne Eisriese ist bisher kaum erforscht. Seinen einzigen Besuch erhielt er am 24. Januar 1986, als die Raumsonde Voyager 2 in gut 81.000 Kilometern Entfernung an ihm vorbeiflog. Ihre Aufnahmen und Daten enthüllten damals Ringe, elf neue Monde und ein bizarres Magnetfeld mit vier Polen. Außerdem ist der Uranus der einzige Planet, der seine Bahn um die Sonne entlangrollt: Seine Rotationsachse liegt auf seiner Bahnebene.
Obwohl die Voyager-Passage schon 34 Jahre zurückliegt, haben die Daten der Sonde jetzt ein weiteres Geheimnis des Uranus gelüftet. Aufgedeckt haben es Gina DiBraccio und Daniel Gershman vom Goddard Space Flight Center der NASA, als sie in Vorbereitung einer neuen Mission die Magnetometerdaten von Voyager 2 noch einmal durchgingen – genauer und zeitlich kleinteiliger als je zuvor.
Magnetische Plasmablase ins All geschleudert
Das verblüffende Ergebnis: Inmitten von 45 Stunden unauffälliger Magnetdaten gab es einen 60 Sekunden langen Zeitabschnitt, der merkwürdige Auffälligkeiten zeigte. In diesem schlugen die Werte plötzlich zickzackförmig aus – in schneller Folge stiegen und fielen die Magnetfeldwerte. Nähere Analysen ergaben, dass es sich um ein Plasmoid handeln musste – eine riesige Blase aus vom Magnetfeld des Planeten abgeschnürten Plasma.
„Die Daten aus dem Magnetschweif des Uranus enthüllten die Präsenz eines schleifenähnlichen Plasmoids, gefüllt mit planetarem Plasma, das sich vom Planeten wegbewegte“, berichten DiBraccio und Gershman. „Dies ist die erste Beobachtung eines solchen Plasmoids bei einem Eisriesen.“ Mithilfe eines Modells berechneten die Forscher, dass diese grob zylinderförmige Plasmablase rund 200.000 Kilometer lang gewesen sein musste und rund 400.000 Kilometer dick.
Verantwortlich für 15 bis 55 Prozent des Massenverlusts
Das aber bedeutet: Auch der Eisriese Uranus verliert trotz seiner großen Entfernung von der Sonne immer wieder Teile seiner Gashülle. Sie werden ihm durch die Wechselwirkung des Sonnenwinds mit seinem komplexen Magnetfeld in Form von Plasmoiden entrissen. Wie die Forscher ermittelten, bestand das Uranus-Plasmoid aus in sich geschlossenen Magnetfeldlinien. Dies sei typisch für Plasmablasen, die durch Zentrifugalkräfte bei der Planetenrotation weggeschleudert werden.
DiBraccio und Gershman schätzen, dass solche Plasmablasen beim Uranus für 15 bis 55 Prozent seines Atmosphärenverlusts verantwortlich sind. Dieser eng mit dem Magnetfeld und Sonnenwind verknüpfte Prozess könnte auf dem Eisriesen damit eine deutlich wichtigere Rolle spielen als auf Jupiter oder Saturn. „Die Plasmoide könnten der dominante Transportmechanismus für den Massenverlust in Uranus‘ Magnetschweif sein“, so die Forscher. (Geophysical Research Letters, 2020; doi: 10.1029/2019GL083909)
Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory