Überraschend jung: Astronomen haben einen ganzen Haufen verblüffend junger Protosterne direkt am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße entdeckt. Sie sind erst wenige zehntausend Jahre alt und liegen noch in ihren staubigen Bildungsscheiben, wie Beobachtungen mit Infrarot- und Radioteleskopen enthüllen. Das Merkwürdige daran: So nah am Schwarzen Loch müssten die enormen Gezeitenkräfte eigentlich alle Sternbildungswolken sofort zerreißen – doch das ist bei diesem IRS 13 getauften Cluster nicht der Fall.
Das Zentrum unserer Galaxie ist ein hochdynamischer Ort: Unter dem Einfluss des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* kreisen dort Sterne in rasendem Tempo auf ihren exzentrischen Bahnen. Die enormen Gravitationskräfte dehnen ihr Licht weit ins Rote hinein und auch die Orbits dieser Sterne zeigen die für solche Einflüsse typische rosettenförmige Schwarzschild-Präzession. Beobachtungen bestätigen zudem, dass viele Sterne im galaktischen Zentrum schon sehr alt sind. Denn die enormen Gezeitenkräfte des Schwarzen Lochs verhindern, dass sich dichte Gaswolken und neue Sterne bilden – so jedenfalls dachte man.
Noch mehr junge Protosterne
Doch schon Anfang 2023 entdeckten Astronomen um Florian Peißker von der Universität Köln in unmittelbarer Nähe zum Schwarzen Loch einige Objekte, die dichten Gasklumpen ähnelten. In einem davon fanden sie einen Protostern – einen noch heranwachsenden Sternenembryo kurz vor Zündung seiner Wasserstofffusion. Obwohl dieser X3a getaufte Babystern nur rund ein Drittel Lichtjahr vom Schwarzen Loch entfernt liegt, kann er offenbar allen Turbulenzen und Gezeitenkräften trotzen.
Jetzt zeigt sich: X3ist offenbar kein Einzelfall. Peißker und sein Team haben bei weiteren Beobachtungen des innersten Milchstraßenzentrums mit Infrarot- und Radioteleskopen sogar eine ganze Gruppe junger stellarer Objekte entdeckt. Auch diese Protosterne sind erst wenige zehntausend Jahre alt und noch von ihren staub- und gasreichen Akkretionsscheiben umgeben. Und auch dieser IRS 13 getaufte Cluster von Protosternen liegt nur rund ein Drittel Lichtjahre vom supermassereichen Schwarzen Loch entfernt.
Wie entstanden diese Sterne?
Wie aber können so nah am Schwarzen Loch neue Sterne entstehen? Nähere Beobachtungen ergaben, dass diese Protosterne zwischen vier und zehn Sonnenmassen schwer sind und relativ dicht gedrängt im IRS-13-Cluster liegen. In ihm gibt es jedoch auch einige bereits ausgewachsene massereiche Sterne. „Dies ist das erste Mal, dass wir Sternpopulationen unterschiedlichen Alters – heiße Hauptreihensterne und noch junge, entstehende Sterne – in dem Haufen so nahe am Zentrum der Milchstraße unterscheiden können“, sagt Koautor Michal Zajaček von der Masaryk-Universität im tschechischen Brünn.
Eine mögliche Erklärung liefert die Lage der verschiedenen Stern-Altersklassen: Die jungen Protosterne konzentrieren sich in einem besonders dichten, staubreichen Streifen an der dem Schwarzen Loch zugewandten Vorderseite des IRS-13-Clusters, wie die Astronomen feststellten. Die Form und Bewegung des gesamten Haufens deutet zudem darauf hin, dass dieser ursprünglich weiter außen lag. Erst nachträglich geriet er in die Nähe des Schwarzen Lochs und wurde von dessen Gravitation eingefangen.
Bugwelle als Sternenwiege?
„Diese Bewegung des jungen Clusters könnte zur Bildung einer Bugwelle geführt haben“, erklären Peißker und sein Team. In dieser wurden Gas und Staub des interstellaren Mediums stark verdichtet. „Die verdichtete Region in dieser Bugwelle konnte dann zur Geburtsstätte der zweiten Generation von Sternen in IRS 13 geworden sein“, so die Astronomen. Die hohe Sternendichte im Inneren des IRS-13-Clusters wiederum könnte erklären, warum Staub und Gas nicht sofort wieder vom Schwarzen Loch weggerissen wurden.
„Der Sternhaufen IRS 13 scheint der Schlüssel zu sein, um den Ursprung der dichten Sternpopulation im Zentrum unserer Galaxie zu enträtseln“, sagt Zajaček. Noch allerdings sind längst nicht alle Fragen zu den überraschend jungen Sternen im innersten Kern der Milchstraße beantwortet – zumal es dort noch weitere Sternenpopulationen gibt. „Neben IRS 13 gibt es einen Sternhaufen, den sogenannten S-Cluster, der sich noch näher am Schwarzen Loch befindet und ebenfalls aus jungen Sternen besteht. Sie sind ebenfalls deutlich jünger, als es nach akzeptierten Theorien möglich wäre“, sagt Peißker.
Peißker und sein Team hoffen, das Rätsel dieser jungen Sterne demnächst durch weitere Beobachtungen, unter anderem mit dem James-Webb-Weltraumteleskop, lösen zu können. (The Astrophysical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-4357/acf6b5)
Quelle: Universität zu Köln