Astronomie/Kosmologie

Unser Universum ist nicht optimal

Was der ausdehnende Effekt der Dunklen Energie mit dem Leben im All zu tun hat

Sterne im Kosmos
Leben wir in einem optimal auf die Bildung von Sternen und Planeten eingestellten Universum? Oder ginge es noch besser? © NASA/ESA, G. Duchene/ Universite de Grenoble; kingwin/iStock

Kosmische Balance: Die Dunkle Energie könnte eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Leben in unserem Universum gespielt haben. Denn gäbe es in unserem Kosmos deutlich weniger oder mehr dieser ausdehnenden Kraft, wären die meisten Sterne und Planeten nicht entstanden – und damit wahrscheinlich auch nicht das irdische Leben. Doch die kosmologische Konstante in unserem Kosmos liegt unter dem Optimum für die Sternbildung, wie Astrophysiker ermittelt haben.

Wie lebensfreundlich ist unser Universum? Gibt es außerirdische Zivilisationen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Astrophysiker Frank Drake schon in den 1960er Jahren – und stellte dafür seine berühmte Drake-Gleichung auf. Diese berechnet anhand von Parametern wie der Zahl der Sterne, Planeten und Lebensformen, wie viel intelligente Lebensformen es im All geben könnte.

Sternbildung, Leben und die kosmologische Konstante

Eine grundlegende Komponente der Drake-Gleichung haben nun Astrophysiker um Daniele Sorini von der Durham University in Großbritannien untersucht. Sie wollten wissen, wie nahe die Sternbildungsrate in unserem Universum am maximal denkbaren Wert liegt – und betrachteten dies von einem ungewöhnlichen, kosmologischen Standpunkt aus: Sie analysierten, wie die Sternbildung in einem Universum von der kosmologischen Konstante abhängt – dem Maß für die kosmische Ausdehnung.

Die schon von Einstein – eher widerwillig – in unser kosmologisches Standardmodell eingefügte Konstante gibt an, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Als Triebkraft dieser kosmischen Expansion gilt die Dunkle Energie – eine mysteriöse Kraft, die bisher weder eindeutig nachgewiesen noch genauer bestimmt ist. Klar scheint aber, dass sie der Gegenspieler zur anziehend wirkenden Gravitation ist: Erst durch die Interaktion beider Kräfte konnte sich nach dem Urknall das komplexe Netz der Galaxien, Gasfilamente und Galaxienhaufen bilden.

„Die Parameter, die unser Universum prägen, darunter auch die Dichte der Dunklen Energie, erklären damit letztlich auch unsere eigene Existenz“, sagt Sorini. Denn wenn sich Materie nicht zu Sternen und Planeten zusammenballen konnte, wäre auch das irdische Leben nie entstanden.

Sternendichte
Verteilung und Dichte stellarer Materie in einem Kosmos ohne Einfluss der Dunklen Energie (Λ), mit der real gemessenen Ausdehnung und mit dem zehn- und 30-fachen Effekt. © Oscar Veenema

Am Stellknopf der Dunklen Energie gedreht

An diesem Punkt setzt die Studie der Astrophysiker an: Sie wollten wissen, wie optimal die kosmologische Konstante unseres Universums für die Sternbildungsrate im Kosmos ist. Anders ausgedrückt: Wie würde ein Universum aussehen, in dem es deutlich mehr oder aber deutlich weniger Dunkle Energie gibt? „Der Einfluss von veränderten kosmologischen Parametern auf die Sternbildungsrate im Kosmos wurde bisher erst wenig untersucht“, erklärt das Team.

Für ihr Modell rekonstruierten Sorini und seine Kollegen die Entwicklung von parallelen Universen jeweils vom Urknall bis heute. Die Ausgangsbedingungen dieser Universen unterschieden sich dabei nur in der kosmologischen Konstante und damit dem Maß für ihre Ausdehnung.

Das Optimum liegt bei 27 Prozent

Das Ergebnis der Modellierungen war unerwartet: „Zu unserer Überraschung haben wir festgestellt, dass selbst ein signifikant höherer Anteil der Dunklen Energie noch mit der Entstehung von Sternen und Leben kompatibel wäre“, berichtet Sorini. „Wir leben demnach nicht im wahrscheinlichsten der denkbaren Universen.“ Konkret ermittelten die Forscher, dass die optimale Sternbildung bei einem Anteil der Dunklen Energie erreicht wird, durch den 27 Prozent der beim Urknall gebildeten Materie zu Sternen werden können.

Der Grund: Ist die kosmische Expansion deutlich stärker, kann sich das primordiale Gas nicht dicht genug zusammenballen, um zu fester Materie zu kollabieren. Dadurch bleibt die Sternbildung aus. Ist hingegen zu wenig Dunkle Energie präsent, wirkt die Gravitation zu stark. Es entstehen zwar sehr dichte, aber nur wenige Materieklumpen – auch das begrenzt die Gesamtzahl der entstehenden Sterne.

Widerspruch zum anthropischen Prinzip?

Doch in unserem realen Kosmos liegt der Anteil bei 23 Prozent – sehr nahe am Optimum, aber dennoch deutlich darunter. Das reicht aus, um ziemlich viele Sterne und Galaxien zu bilden. Aber die Regler unseres Universums sind nicht auf die optimale Konfiguration für die Existenz von Leben – und damit auch uns – eingestellt. „Wir haben festgestellt, dass Werte wie die tatsächlich beobachteten sogar sehr unwahrscheinlich sind“, berichten Sorini und sein Team.

Dieses Ergebnis wirft neues Licht auf eine der großen Streitfragen der Kosmologie: Warum sind die Stellglieder unseres Kosmos – die kosmologischen Parameter – genau so, wie sie sind? Bloßer Zufall? Glück? Oder war es eine unausweichliche Folge – wie es das anthropische Prinzip besagt? „Unser Resultat ist eine Herausforderung für die anthropische Denkweise“, schreiben die Astrophysiker. „Entweder ist dieser Ansatz ungültig oder es müssen mehr Parameter im Ensemble variiert werden.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2024; doi: 10.1093/mnras/stae2236)

Quelle: Royal Astronomical Society (RAS)

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