Unser Universum entstand möglicherweise nicht aus dem Nichts, sondern durch den Kollaps eines anderen, früheren Universums. Hinweise darauf bringt jetzt eine neue, in der Online-Ausgabe von „Nature Physics“ veröffentlichte Studie. Mithilfe eines neuen mathematischen Modells drangen Forscher erstmals in die Ära vor dem Urknall vor.
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Seit langem gilt der Urknall zwar als das beste verfügbare physikalische Erklärungsmodell für die Entstehung unseres Universums, kann aber einige Aspekte des sich ausdehnenden Kosmos nicht erklären. Nach Einsteins Relativitätstheorie stellt der Urknall eine Singularität dar – einen Zustand, der mathematisch nicht beschreibbar ist, da er unendliche Dichte und Energie mit einem nicht vorhandenen Volumen kombiniert. Jetzt aber haben Forscher unter Leitung von Martin Bojowald, Physikprofessor an der Penn State Universität, mithilfe einer neuen physikalischen Theorie, der Schleifenquantengravitation, erstmals eine mathematische Beschreibung nicht nur der Singularität sondern auch der Zeit vor einem Urknall geliefert.
Übergang statt Geburt aus dem Nichts?
Die Schleifenquantengravitation vereint Einsteins Theorie der Allgemeinen Relativität mit Gleichungen der Quantenphysik, die es zu Einsteins Zeit noch nicht gab. Sie eröffnet die Möglichkeit, dass der „Big Bang“ in Wirklichkeit nur ein „Big Bounce“ war, das heißt kein Anfang von Allem sondern nur ein Zwischenspiel, ein Übergang zwischen zwei Universen. „Meine Publikation stellt ein neues mathematisches Modell vor, das wir nutzen können, um neue Details über die Eigenschaften eines Quantenzustands zu erfahren, der durch den „Big Bounce“ geht. Letzterer ersetzt die klassische Vorstellung eines Urknalls als Beginn unseres Universums“, erklärt Bojowald.
Im Gegensatz zur Relativitätstheorie ergeben die Gleichungen der Schleifenquantengravitation, dass der Raum am Beginn unseres Universums nicht gleich Null war und auch die Energie nicht unendlich. Damit wird eine Singularität vermieden und die Modelle liefern auch für diesen Extremzustand der Materie weiterhin gültige Ergebnisse. Gleichzeitig eröffnen sie damit die Möglichkeit, auch einen Blick auf das potenzielle „Davor“ unserer Welt zu werfen.
Nach Ansicht der Vertreter der Schleifenquantengravitation hat sich die Schwerkraft unter den extremen Bedingungen des Urknalls umgekehrt und wirkte plötzlich abstoßend statt unendlich anziehend. Dies bewirkte, dass sich das zuvor zusammenziehende und letztlich kollabierte frühere Universum plötzlich wieder ausdehnte und damit unser jetziges Universum geboren wurde. Um diesen Prozess auch mathematisch beschreiben zu können, war ein neues Modell nötig, dass Bojowald und seine Kollegen nun entwickelt haben. Es beschreibt den Status unseres jetzigen Universums und seine Entwicklung so akkurat, dass die Forscher mit seiner Hilfe die Zeit quasi zurückspulen können, bis hin zum Urknall und davor.
Keine Abfolge immergleicher Universen
Bojowalds Ergebnisse deuten jedoch auch darauf hin, dass es zwar möglich ist, viele Eigenschaften des früheren Universums zu ermitteln. Gleichzeitig aber werden einige dieser Charakteristiken für immer verborgen bleiben – nicht aus wissenschaftlicher Unfähigkeit, sondern aus einer bestimmten Eigenschaft des Universums heraus:
Die Berechnungen enthüllen die Existenz einer „kosmischen Vergesslichkeit“, eine Folge der extremen Quantenkräfte, die während des Big Bounce wirken und die dafür sorgen, dass bestimmte Parameter der alten Universen diesen Übergang nicht überstehen und damit für immer verloren sind. „Diese intrinsische kosmische Vergesslichkeit scheint auch zu verhindern, dass es eine ewige Wiederholung immergleicher Universen gibt“, erklärt Bojowald. Denn die „vergessenen“ Parameter verhindern, dass exakte Kopien der vorherigen Universen entstehen.
(Penn State University, 02.07.2007 – NPO)