Löchrige Hülle: Die äußere Gashülle der Venus hat Lücken – gewaltige Zonen, in denen die Dichte der Teilchen abrupt abnimmt. Das belegen neue Daten der Raumsonde Venus Express. Was diese Löcher verursacht, ist bisher unklar, Planetenforscher vermuten aber, dass der starke Sonnenwind eine Rolle spielen könnte, dem der Planet ständig ausgesetzt ist.
Die Venus gilt als Schwester der Erde – sie ist ungefähr gleich groß, war vielleicht einst fast so kühl wie die Erde und ist auch in ihrem Inneren sehr ähnlich aufgebaut. Aber eine extrem dichte Gashülle und die Nähe zur Sonne machen sie heute zu einer Gluthölle. Bereits 1978 entdeckte eine der ersten Venussonden zudem eine ungewöhnliche Anomalie: „Als die Sonde in den Orbit einschwenkte, bemerkte sie etwas sehr, sehr Seltsames: ein Loch in der Ionosphäre des Planeten“, berichtet Glyn Collinson vom NASA Goddard Space Flight Center (GSFC).
An dieser Stelle sank die Dichte der geladenen Teilchen plötzlich stark ab – ein Phänomen, für das die Forscher keine Erklärung hatten. Hinzu kam, dass spätere Sonden dieses Loch zunächst nicht wieder fanden, 30 Jahre lang blieb das Loch in der Ionosphäre der Venus daher ein Rätsel. Collinson jedoch beschloss, der Sache erneut auf den Grund zu gehen und suchte noch einmal gezielt in den Daten der ESA-Raumsonde Venus Express nach Hinweisen auf Ionosphärenlöcher.
Löcher auf der Planeten-Rückseite
Und er wurde fündig: Die Daten zeigten gleich zwei Löcher in der Ionosphäre auf der sonnenabgewandten Seite der Venus. Wie zwei lange Zylinder reichen diese Zonen geringer Dichte von der Oberfläche des Planeten bis weit hinaus ins All. Wie der Forscher erklärt, lässt ihre Position darauf schließen, dass eine Wechselwirkung der Ionosphäre mit dem Sonnenwind zu ihrer Entstehung beitragen könnte.
Denn die Venus wird – wie die Erde auch – ständig von energiereichen Teilchenströmen von der Sonne getroffen. Während unser Planet jedoch von seinem starken Magnetfeld geschützt wird, fehlt der Venus ein solcher „Schutzkäfig“. Ihre Ionosphäre ist diesem Teilchenstrom daher weitgehend ungeschützt ausgesetzt. Hinzu kommt: Ist die Sonne besonders aktiv, erreichen sogar Fetzen von magnetisch aufgeladenem solarem Plasma den Planeten.
Zwei Szenarien, keine Erklärung
Theoretisch könnten Kollisionen solcher magnetischer Plasmafetzen mit der Gashülle der Venus für diese Löcher verantwortlich sein – allerdings müssten diese dann eigentlich an anderen Stellen liegen als beobachtet, wie Collinson berichtet. Sie lägen dann eher tangential an den Seiten des Planeten, statt fast gerade von der Oberfläche seiner sonnenabgewandten Seite auszugehen.
Die Forscher haben für dieses Phänomen bisher keine eindeutige Erklärung, wohl aber zwei mögliche Szenarien. In der einen dringen die magnetischen Felder des Sonnenwinds nicht nur in die obersten Atmosphärenschichten ein, sondern sogar bis in die Kruste und den Mantel des Planeten. Dadurch treten sie auf der Rückseite scheinbar senkrecht aus dem Boden wieder aus. Im zweiten möglichen Szenario bleiben die Magnetfelder außen, strömen an den Seiten des Planeten entlang und treffen auf seiner Rückseite dort bereits aufgestautes Plasma. Dieses wird dadurch weiter komprimiert und drückt dann die Teilchen der Ionosphäre weg wie Zahnpasta aus einer Tube.
Welches der beiden Szenarien stimmt, hoffen die Forscher nun mit Hilfe weiterer Messungen durch Raumsonden zu ergründen. Klar ist aber schon jetzt: Auf unserem Schwesterplanet laufen weitaus komplexere Prozesse ab als bisher angenommen. Die Venus hütet noch immer einige Geheimnisse.
(NASA, 12.09.2014 – NPO)