Volltreffer: Wenn unser Nachbarplanet Venus von einem starken Sonnensturm getroffen wird, hat dies dramatische Folgen, wie Daten der Raumsonde Venus Express enthüllen. Der Ansturm energiereicher Teilchen lädt die gesamte Ionosphäre der Venus magnetisch auf und verleiht ihr einen heftig hin und her schlagenden Magnetschweif. Gleichzeitig werden Unmengen von Ionen aus tieferen Gasschichten nach außen gesaugt und ins All hinausgerissen.
Die Erde ist gegen die meisten Sonnenstürme gut gewappnet, denn sie ist von einem stabilen Magnetfeld umgeben. Dieses wirkt wie ein Schutzschild gegen den Ansturm des energiereichen Plasmas aus dem All. Anders ist dies bei der Venus: Unser innerer Nachbar im Sonnensystem besitzt keinen effektiven Geodynamo und so gut wie kein eigenes Magnetfeld. Allerdings: Wäre unser Nachbarplanet komplett ungeschützt, müsste der rasend schnelle Strom energiereicher Teilchen große Teile der Venus-Atmosphäre ins All hinaus reißen. Die noch immer extrem dichte Gashülle des Planeten zeigt aber, dass dies nicht der Fall ist.
Raumsonde im Sturm
Des Rätsels Lösung ist ein induziertes Magnetfeld – ein Feld, das erst durch die Wechselwirkung von Sonnenwind und Ionosphäre der Venus entsteht. Trifft der geladene Sonnenwind auf die ebenfalls geladenen Teilchen in der Ionosphäre der Venus, bildet sich auf der Tagseite eine Art magnetische Bugwelle, auf der Nachtseite ein lang ausgezogener Magnetschweif. Der Druck beider Akteure in diesem System ist so ausbalanciert, dass dieses induzierte Feld im Normalfall als Schutzschild ausreicht.
Doch was passiert, wenn die Venus von einem Sonnensturm getroffen wird? Dies haben nun Qi Xu von der Universität Macau und seine Kollegen näher untersucht. Dabei kam ihnen ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Denn als am 5. November 2011 ein besonders starker Sonnensturm die Venus traf, war die ESA-Raumsonde Venus Express vor Ort. Sie hat aufgezeichnet, wie Ionosphäre, Magnetfeld und Atmosphäre unseres Nachbarplaneten auf diesen Treffer reagierten. Xu und sein Team haben diese Daten nun ausgewertet.
Magnetische Barriere und ein schlagender Schweif
Das Ergebnis: Der starke Sonnensturm hatte für die Venus-Schutzhülle dramatische Folgen. „Die Magnetosphäre fluktuierte dramatisch, der Bugschock wurde durch den koronaren Massenauswurf komprimiert und verbreitet“, berichten die Forscher. „Das Plasma im Magnetschweif der Venus flatterte so schnell, dass Venus Express ihn fünfmal in nur 1,5 Minuten kreuzte.“ Zudem bildete sich eine mit 250 Nanotesla ungewöhnlich starke Magnetbarriere auf der Tagseite des Planeten.
Das hatte Konsequenzen auch für die Ionosphäre der Venus: Diese äußere Atmosphärenschicht wurde komplett magnetisiert und dehnte sich aus. Gleichzeitig nahm ihre Dichte rapide zu: „Die Ionosphäre war so stark angeregt, dass ihre Plasmadichte um das Dreifache größer war als während ruhiger Sonnenwindphasen“, berichten Xu und sein Team.
Atmosphäre entweicht ins All
Das Entscheidende jedoch: Diese dramatischen Veränderungen normalisieren sich zwar wieder, wenn der Sonnensturm vorüber ist. Für die Atmosphäre der Venus aber gibt es bleibende Folgen, wie die Wissenschaftler herausfanden. Demnach verliert der Planet während der Passage eines so starken Sonnensturms an seiner Tagseite enorm viele Ionen. „Weil die Venus-Ionosphäre so stark angeregt ist und das gesamte Plasmasystem heftig fluktuiert, gehen mehr planetare Ionen verloren“, erklären die Forscher.
Der stark flatternde Magnetschweif wirkt dabei noch zusätzlich wie ein Staubsauger, der die Ionen ins All hinaussaugt. Insgesamt könnten während eines solchen Ereignisses rund 30 Prozent mehr Gaspartikel ins All hinausgerissen werden als normalerweise, wie die Wissenschaftler ermittelten. „Solche Sonnenstürme verstärken demnach den Atmosphärenverlust der Venus substanziell“, so Xu und sein Team. (The Astrophysical Journal, 2019; doi: 10.3847/1538-4357/ab14e1)
Quelle: AAS Nova