Wolkige Wüste: Ob die Wolken der Venus Leben beherbergen könnten, ist heiß umstritten. Jetzt liefern Forscher ein weiteres Argument dagegen. Ihren Berechnungen nach sind die Venuswolken mit einer relativen Feuchte von 0,4 Prozent viel zu trocken selbst für extremophile Mikroorganismen. Bessere Chancen könnten dagegen die Wolken des Gasriesen Jupiter bieten, denn in seinen oberen Regionen liegt die relative Feuchte bei 58 Prozent, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.
Die Venus war in ihrer Frühzeit ähnlich lebensfreundlich wie unsere Erde, bis ein galoppierender Treibhauseffekt und die stärker werdende Sonne dem ein Ende setzten. Sollte sich auf unserem Nachbarplaneten einst Leben entwickelt haben, ist es entweder in der Gluthölle zugrunde gegangen – oder aber es hat ein Refugium in den kühleren Venuswolken gefunden. Tatsächlich werteten einige Forscher den Nachweis von Phosphingas in der Venusatmosphäre als Indiz für eine mögliche biologische Aktivität. Seither allerdings wecken neuere Messdaten Zweifel an dieser These.
Wasseraktivität und die Grenze für aktives Leben
Jetzt liefert ein Team um John Hallsworth von der Queen’s University Belfast weitere Argumente gegen ein Lebensrefugium in den Venuswolken. Sie haben untersucht, wie viel Wasser für potenzielle Lebensformen in diesen Atmosphärenschichten des Planeten vorhanden ist. Dafür ermittelten sie die Wasseraktivität – ein Äquivalent der relativen Luftfeuchtigkeit. Wie diese hängt die Wasseraktivität primär von Temperatur und Druck ab, kann aber auch durch chemische Faktoren wie die Anwesenheit starker Säuren beeinflusst werden.
Aus Studien mit Mikroben aus extremen Standorten auf der Erde und Laborversuchen weiß man, dass die Grenze des Überlebens bei einer Wasseraktivität von etwa 0,58 liegt – das entspricht etwa einer Luftfeuchtigkeit von 58 Prozent. Bis zu diesem Wert können Mikroorganismen auf Dauer Stoffwechsel, Wachstum und Zellteilung aufrechterhalten. Zwar überstehen viele Mikroben auch deutlich trockenere Bedingungen, aber für eine aktive Vermehrung ist dies das Minimum, wie die Forschenden erklären.
Venus: Nicht genug verfügbares Wasser
Wie aber sieht es in den Venuswolken aus? Zwar sind dort Temperatur und Druck dort günstig, die hohe Konzentration an Schwefelsäure führt jedoch zu Reaktionen, die die Wasserverfügbarkeit drastisch reduzieren, wie das Forschungsteam ermittelt hat. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schwefelsäurewolken der Venus zu wenig Wasser für die Existenz von aktivem Leben aufweisen“, sagt Hallsworth.
Als potenziell lebensfreundlich galten bislang Höhen zwischen 40 und 70 Kilometern über der Venusoberfläche, weil dort die Temperaturen zwischen 130 und minus 40 Grad liegen. „Die relative Feuchtigkeit in dieser Zone variiert zwar, bleibt aber durchgängig unter 0,4 Prozent“, berichtet das Team. Damit liegt die Wasseraktivität mit 0,004 rund hundertfach unter dem Grenzwert für aktives Leben. Selbst feine Tröpfchen in den Venuswolken wären wegen ihres hohen Säuregehalts wahrscheinlich nicht lebensfreundlicher, so die Forschenden.
Jupiter: Kälter, aber feucht genug
Wie aber sieht es bei anderen Planeten im Sonnensystem aus? Für den Jupiter werteten die Wissenschaftler Daten der NASA-Missionen Galileo und Juno aus. Letztere hatte erst kürzlich Hinweise darauf geliefert, dass der Wassergehalt der Jupiterwolken zumindest lokal höher sein könnte als zuvor angenommen. Den Berechnungen von Hallsworth und seinem Team nach liegt die Wasseraktivität in der zwischen plus 10 Grad und minus 40 Grad kalten Wolkenzone bei 0,585 – das entspricht einer relativen Feuchtigkeit von 58 Prozent.
„Diesen Parametern nach wäre die Atmosphäre des Jupiter sogar besser für Leben nach irdischem Vorbild geeignet als die der Venus“, erklären die Forschenden. Allerdings setzt dies voraus, dass es in den Jupiterwolken auch die dafür nötigen Nährstoffe gibt. „Ob die Jupiterwolken ein geeigneter Ort für eine anfängliche Entstehung von Leben sind, ist ebenfalls eine andere Frage“, so das Team.
Mars: Zu kalt und zu dünn
Deutlich ungünstiger sieht es hingegen für unseren Nachbarplaneten Mars aus. Seine extrem dünne, mit weniger als minus 73 Grad sehr kalte Atmosphäre enthält Wasser nur in Form von Eiskristallen – und auch davon nur sehr wenig. „Daher gibt es dort bestenfalls Eiswolken“, so Hallsworth und seine Kollegen. „Mikrobielle Zellen können unter so kalten Bedingungen kein Wasser aufnehmen.“ Mit 0,537 liege die Wasseraktivität zudem unter der Grenze für aktives Leben.
„In Bezug auf die Wasseraktivität und Temperaturen stellen wir daher fest, dass die Jupiterwolken die für Leben günstigsten Bedingungen im Sonnensystem aufweisen – abgesehen von der Erde“, konstatieren Hallsworth und sein Team. Für die restlichen Gasplaneten Saturn, Uranus und Neptun fehlen allerdings noch die entsprechenden Daten, um die Wasseraktivität kalkulieren zu können.
Auch für Exoplaneten geeignet
Nach Ansicht des Teams könnte ihr Ansatz künftig auch genutzt werden, um die Lebensfreundlichkeit von Exoplaneten-Atmosphären einzuschätzen. „Das James-Webb-Weltraumteleskop wird die Temperatur, Druckverhältnisse und den Wassergehalt von Atmosphären fremder Planeten ermitteln können“, sagen die Wissenschaftler. „Diese Daten ermöglichen es dann, die Wasseraktivität in den Gashüllen dieser Planeten abzuschätzen.“ (Nature Astronomy, 2021; doi: 10.1038/s41550-021-01391-3)
Quelle: Queen’s University Belfast