Forscher haben erstmals gezeigt, dass sich zwei Schwarze Löcher von kollidierenden Galaxien rasch vereinigen. Mit Simulationen konnten sie darstellen, dass diese Massemonster im All innerhalb von weniger als einer Million Jahren ein binäres System bilden und dabei Gravitationswellen auslösen. Ihre Ergebnisse, die in „Science“ publiziert worden sind, liefern die theoretische Basis auf dem Weg zum direkten Nachweis von Gravitationswellen.
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Die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein bildet die Grundlage für das moderne Verständnis der Schwerkraft. Viele ihrer Vorhersagen wurden bereits experimentell nachgewiesen. Eine wichtige Konsequenz der Theorie, die bisher nicht bestätigt werden konnte, ist die Existenz von Gravitationswellen. Einsteins Theorie sagt voraus, dass Änderungen in starken Gravitationsfeldern Deformationen in der so genannten Raum-Zeit erzeugen, ähnlich den Wellen, die ein in einen Teich geworfener Stein auf der Wasseroberfläche hervorruft.
Die Amplitude dieser Gravitationswellen wächst mit der Stärke des Gravitationsfeldes. In unserem Universum besitzen Schwarze Löcher die stärksten Gravitationsfelder. Wellen werden allerdings nur erzeugt, wenn sich das Gravitationsfeld zeitlich ändert. Dies geschieht unter anderem dann, wenn sich zwei Schwarze Löcher nähern und miteinander verschmelzen. Aber wann und wie geschieht dies? Die gegenwärtige Theorie zur Entwicklung der Galaxien sagt voraus, dass jede massive Galaxie in ihrem Zentrum ein supermassives Schwarzes Loch besitzt. Diese Objekte können eine Masse von Millionen oder gar Milliarden Sonnen besitzen. Auch im Zentrum unserer Milchstrasse konnte ein derartiges supermassives Schwarzes Loch nachgewiesen werden. Dazu wurde die Bewegung von Sternen in seiner Umgebung untersucht.
Verschmelzen die Schwarzen Löcher?
Dass Galaxien tatsächlich kollidieren und verschmelzen, belegen eindrucksvolle Bilder, die von Teleskopen aus dem Weltraum oder von der Erdoberfläche aus gemacht wurden. Falls zwei Galaxien mit supermassiven Schwarzen Löchern kollidieren, ist es demnach denkbar, dass auch ihre Schwarzen Löcher verschmelzen und einen gewaltigen Ausbruch von Gravitationswellen erzeugen. Bisher war es allerdings unmöglich zu zeigen, dass dies auch wirklich geschieht. Denn dafür müssen Prozesse zugleich auf großen Skalen, das heißt auf tausenden bis zehntausenden von Lichtjahren – der Größe einer ganzen Galaxie – und auf kleinen Skalen, einem Lichtjahr oder weniger – nämlich der Umgebung der Schwarzen Löcher -, beschrieben werden.
Die erste Simulation, die Prozesse auf allen Stufen dieser Skala erfasst, wurde von Professor Lucio Mayer von der Universität Zürich und anderen Forschern durchgeführt. Sie zeigt, dass Schwarze Löcher von kollidierenden Galaxien, die interstellares Gas enthalten, ihren Abstand rasch verringern und ein binäres System bilden. Dies geschieht innerhalb weniger hunderttausend Jahre und damit schnell nach astrophysikalischen Maßstäben. Die Schwarzen Löcher im Binärsystem umkreisen einander in einem Abstand von wenigen Lichtjahren, obwohl sie beide wenige Milliarden Jahre zuvor durch mehrere hunderttausend Lichtjahre voneinander getrennt waren. Sie verringern dabei langsam ihren Abstand bis dieser etwa der Größe unseres Sonnensystems entspricht. Diese Entfernung ist nahe genug, um starke Gravitationswellen zu erzeugen, die Energie davontragen und somit den Verschmelzungsprozess beschleunigen. Die endgültige Vereinigung findet etwa eine Milliarde Jahre nach der Bildung des Binärsystems statt.
Simulation mit Supercomputern
Diese Simulation wurde an leistungsfähigen Supercomputern der Universität Zürich, der ETH Zürich und an Rechenzentren der USA durchgeführt. Sie zeigt erstmals, dass das erste Hindernis beim Verschmelzen von Schwarzen Löchern, nämlich die schnelle Bildung des Binärsystems, nicht existiert, wenn die kollidierenden Galaxien Gas enthalten. Zwar sind die heutigen massiven Galaxien größtenteils gasfrei, aber wir wissen, dass dies vor wenigen Milliarden Jahren anders war. Wenn sich Galaxien vereinigen, strebt ihr gesamtes Gas in ihr jeweiliges Zentrum. Kollisionen zwischen gashaltigen Galaxien waren demnach eher die Regel als die Ausnahme in der Geschichte unseres Universums. Es ist daher anzunehmen, dass verschmelzende Schwarze Löcher häufig Gravitationswellen erzeugen.
Genau dieser direkte Nachweis wird mit der „Laser Interferometer Space Antenna“ (LISA), die von NASA und der europäischen Weltraumorganisation ESA geplant ist, in den nächsten Jahren möglich sein. LISA ist eines der komplexesten und ambitioniertesten Instrumente unserer Zeit. Es besteht aus drei Satelliten und ihre Sensoren sind in der Lage, die durch Gravitationswellen hervorgerufenen, extrem geringen Verschiebungen von Testmassen zu entdecken. Laserstrahlen werden verwendet, um den Abstand der Testmassen mit größtmöglicher Präzision zu messen.
Der direkte erstmalige Nachweis, dass sich vereinigende Schwarze Löcher Gravitationswellen erzeugen, wird nicht nur einen überwältigenden Beweis für eine der fundamentalsten Theorien der Physik darstellen, sondern auch unser Standardmodell der Galaxienentwicklung bestätigen. Dies ist eines der schönsten Beispiele für die tiefe Verwobenheit zwischen Astrophysik und der fundamentalen Physik der Gravitation.
(Universität Zürich, 14.06.2007 – DLO)