Der Protoplanet Vesta hat eine bewegte Vergangenheit, davon zeugen unter anderem zwei gewaltige Krater auf der Südseite des Himmelskörpers. Doch die Einschläge haben nicht nur seine Form, sondern auch seine mineralogische Zusammensetzung dauerhaft verändert: Die beiden kosmischen Brocken brachten dunkles, kohlenstoffhaltiges Material mit. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Icarus“. Ähnliche Ereignisse könnten ihrer Ansicht nach in der Frühzeit des Sonnensystems auch die Erde mit Kohlenstoff, einem Grundbaustein organischer Verbindungen, versorgt haben.
Vesta ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist der Himmelskörper, der zwischen Mars und Jupiter um die Sonne kreist und einen Durchmesser von etwa 530 Kilometern hat, einer der wenigen Protoplaneten in unserem Sonnensystem, die heute noch intakt sind. Vesta ist somit eine Art Zeitkapsel aus einer frühen Entwicklungsphase des Sonnensystems. Zum anderen haben die Aufnahmen der Raumsonde Dawn eine Oberfläche mit ausgeprägten Unterschieden in Helligkeit und Zusammensetzung offenbart. Es gibt auf Vesta helles Material, das so weiß ist wie Schnee, und dunkle Bereiche, die so schwarz sind wie Kohle. Besonders dieses rätselhafte, dunkle Material könnte weiteren Aufschluss über die Entwicklung und Vergangenheit des Protoplaneten – und damit des gesamten Sonnensystems – geben.
Der erste Einschlag brachte den Kohlenstoff
Eine Forschergruppe unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) hat nun herausgefunden, dass dieses Material nicht ursprünglich zu Vesta gehörte, sondern durch Einschläge von Asteroiden eingebracht wurde. „Vieles spricht dafür, dass das dunkle Material sehr reich an Kohlenstoff ist“, erklärt Vishnu Reddy vom MPS und der Universität von North Dakota in den USA. Er und seine Kollegen haben nun die bisher umfassendste Analyse dieses Materials vorgelegt. Die Untersuchungen legen einen Zusammenhang zwischen dem dunklen Material und den beiden riesigen Asteroideneinschlägen nahe, die Vestas Südhalbkugel prägen.
„In einem ersten Schritt haben wir eine genaue Übersichtskarte erstellt, welche die Verteilung des dunklen Materials zeigt“, erklärt Lucille Le Corre vom MPS. Diese Informationen konnten die Forscher den Aufnahmen des Kamerasystems an Bord der Raumsonde Dawn entnehmen, die 2011 Vesta erreicht hat. „Dabei haben wir etwas Erstaunliches entdeckt“, fährt sie fort. Das dunkle Material gruppiert sich in erster Linie um die Ränder der beiden großen Krater auf der Südhalbkugel. Genauere Untersuchungen zeigten, dass dieses Gestein wahrscheinlich mit dem ersten der beiden Einschläge, der vor etwa zwei bis drei Milliarden Jahren das sogenannte Veneneia-Becken bildete, auf den Protoplaneten kam. Der zweite Einschlag, in dessen Folge das riesige Rheasilvia-Becken entstand, hat einen Teil dieses Material dann später überdeckt.
Umfangreiche Modellrechnungen der MPS-Forscher unterstützen die Theorie der zwei Einschläge – und erlauben zudem genaueren Aufschluss über deren Verlauf. So konnten die Wissenschaftler in Computersimulationen bestimmen, welche Aufprallgeschwindigkeiten mit den gefundenen Konzentrationen des dunklen Materials vereinbar sind. „Alles spricht für einen vergleichsweise langsamen Zusammenstoß mit Geschwindigkeiten von weniger als zwei Kilometern pro Sekunde“, so Reddy. Der Einschlag im Nördlinger Ries im Süden Deutschlands geschah dagegen bei etwa 20 Kilometern pro Sekunde.
HED-Meteorite stammen tatsächlich von Vesta
Informationen über das dunkle Material liefern auch die so genannten HED-Meteorite, die der Vesta entstammen. Einige dieser Meteoriten zeigen dunkle Einschlüsse, die ebenfalls reich an Kohlenstoff sind. Das Kürzel HED steht dabei für die Gesteinsarten Howardit, Eucrit und Diogenit, aus denen diese Meteoriten in erster Linie bestehen. „Durch genaue Analyse des dunklen Materials auf der Vesta und Vergleichen mit Laboruntersuchungen dieser Meteorite konnten wir nun den ersten direkten Beweis liefern, dass die HED-Meteorite tatsächlich Bruchstücke von Vesta sind“, so Le Corre. „Bei unseren Analysen geht es längst nicht nur darum, die genaue Entwicklungsgeschichte der Vesta zu rekonstruieren“, betont Holger Sierks, Co-Investigator der Dawn-Mission am MPS. Vielmehr wollen die Forscher die Bedingungen im frühen Sonnensystem verstehen.
Die Mission Dawn startete vor etwa fünf Jahren ins All und schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Protoplaneten Vesta ein. 2015 soll die Raumsonde ihr zweites Reiseziel, den Zwergplaneten Ceres, erreichen, der wie Vesta im so genannten Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiter um die Sonne kreist. Die Mission Dawn wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet.
(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 04.01.2013 – NPO)