Selbst die NASA-Experten schüttelten über diesen Zufall den Kopf: Am 15. Februar, ausgerechnet an dem Tag, als der Asteroid 2012 DA14 die Erde haarscharf verfehlte, explodierte ein Meteorit über Russland und löste dort Chaos und Zerstörung aus. Seither haben die Forscher fieberhaft daran gearbeitet, dieses Ereignis genauer zu analysieren und mehr über den Boliden zu erfahren, der über Tscheljabinsk niederging. Jetzt haben sie ihre neuesten Erkenntnisse in einem Video zusammengefasst und vorgestellt.
Am 15. Februar gegen 04:30 Uhr unserer Zeit weckte ein lauter Knall die Menschen in der russischen Tscheljabinsk-Region, ein gleißendes Licht erhellte die Morgendämmerung – ein Meteorit war in der Luft explodiert. Die Druckwelle ließ Fensterscheiben zerspringen und tausende Trümmerstücke gingen über dem bewohnten Gebiet nieder. Am gleichen Abend passierte ein weiterer kosmischer Besucher die Erde: Der Asteroid 2012 DA14 raste noch innerhalb des Rings der geostationären Satelliten an unserem Planeten vorbei. „Das sind beides sehr seltene Ereignisse – und sie am gleichen Tag zu sehen, war geradezu unglaublich, erklärt Paul Chodas vom Near-Earth Object Program der US-Weltraumbehörde NASA. Was aber steckte dahinter?
Infraschall-Messnetz liefert entscheidende Daten
Seit dem Ereignis am 15. Februar haben die Meteoritenforscher mit Hochdruck daran gearbeitet, genau aufzuschlüsseln, was da eigentlich über Russland passiert ist. Die wichtigsten Daten dafür lieferte ihnen das globale Netzwerk von Infraschall-Sensoren. Diese speziellen Mikrophone registrieren Schallwellen, die unterhalb von 16 Hertz schwingen und damit zu tief sind, als dass wir sie hören könnten. Es gibt einige Tiere, darunter Elefanten, die sich mit Infraschall verständigen, ansonsten aber entstehen diese Schwingungen vor allem durch Erschütterungen der Atmosphäre, wie sie beispielsweise von einem Kernwaffentest – oder eben einem Meteoriten – verursacht werden.
Am 15. Februar schlugen 17 Infraschall-Messstationen des Netzes Alarm, sie registrierten das stärkste jemals aufgezeichnete Ereignis. Selbst in der 15.000 Kilometer weit entfernten Antarktis zeichnete ein Sensor die vom Meteoriten erzeugten Wellen auf. Und genau diese Aufzeichnungen haben den NASA-Forschern einen Großteil ihrer jetzigen Erkenntnisse über das Ereignis und seinen 17 Meter großen und rund 10.000 Tonnen schweren Auslöser geliefert.
Flacher Winkel, gewaltige Geschwindigkeit
„Der Meteorit traf mit knapp 65.000 Kilometern pro Stunde auf die Atmosphäre auf“, berichtet Peter Brown von der University of Western Ontario. Aus östlicher Richtung kommend habe sein Eintrittswinkel dabei rund 20 Grad betragen – war also eher flach. Immerhin rund 30 Sekunden lang hielt der kosmische Bolide die Höllenhitze aus, die durch die Luftreibung entstand, dann explodierte er 20 bis 25 Kilometer über der Erdoberfläche. „Die Energie der Explosion übertraf 470 Kilotonnen TNT“, so Brown. Zum Vergleich: Die Atombombe, die die japanische Stadt Hiroshima zerstörte, hatte eine Sprengkraft von weniger als 20 Kilotonnen.
Aus den Infraschalldaten konnten die Forscher auch die Flugbahn des Meteoriten rekonstruieren und damit seine Herkunft: „Er stammte aus dem Asteroidengürtel“, sagt Bill Cooke vom Meteoroid Environment Office der NASA. Dummerweise kam der Gesteinsbrocken dabei nicht von der uns am nächsten liegenden Stelle des Gürtels, sondern quasi von der anderen Seite – und damit fast genau aus Richtung der Sonne. Die zur Weltraumüberwachung eingeteilten Teleskope konnten die heranfliegende Gefahr nicht sehen, weil das helle Sonnenlicht den winzigen dunklen Punkt überstrahlte. Aber selbst wenn er aus der Gegenrichtung gekommen wäre, hätte man ihn frühesten zwei Stunden vor dem Einschlag entdeckt, sagt der NASA-Forscher.
Durch den Vergleich der Flugbahn des Tscheljabinsk-Meteoriten mit dem des Asteroiden 2012 DA14 können die Astronomen inzwischen aber eindeutig ausschließen, dass beide Ereignisse irgendwie miteinander verknüpft waren. „Die Tatsache, dass beide die Erde am gleichen Tag erreichten – einer ein bisschen näher als der andere – ist tatsächlich ein reiner Zufall“, sagt Cooke.
(NASA, 01.03.2013 – NPO)