Eigentlich hätte schon in den ersten Sekundenbruchteilen Schluss sein müssen: Als sich das Universum kurz nach dem Urknall exponentiell ausdehnte, hätten die starken Fluktuationen das Higgsfeld und damit den gesamten Kosmos wieder kollabieren lassen müssen – so zumindest die Theorie. Eine Lösung dieses Paradoxes schlägt nun eine europäische Forschergruppe vor. Demnach könnte eine Wechselwirkung von Gravitation und Higgsfeld für die nötige Stabilität gesorgt haben.
Direkt nach dem Urknall dehnte sich unser Universum innerhalb von Sekundenbruchteilen mit Überlichtgeschwindigkeit aus. Diese Phase der kosmischen Inflation schleuderte die Urmaterie auseinander und löste dabei enorme Energiefluktuationen aus. Auch das Higgsfeld spielte dabei vermutlich eine Rolle – allerdings eher eine destabilisierende, wie Forscher vor wenigen Monaten feststellten. Denn die starken Energiefluktuationen müssten dieses Feld eigentlich aus seinem metastabilen Zustand gestoßen und dadurch das gesamte Universum zum Kollaps gebracht haben.
Neue Physik – oder nur neue Wechselwirkung?
Ganz offensichtlich aber geschah dies nicht: Das Universum wuchs weiter, statt zu kollabieren. Seither suchen Wissenschaftler nach dem Grund dafür. „Das Standardmodell der Physik hat bisher keine Antwort dazu geliefert, warum das Universum nicht nach dem Urknall wieder kollabierte“, erklärt Seniorautor Arttu Rajantie vom Imperial College London. Deshalb werden inzwischen physikalische Prozesse diskutiert, die noch nicht vom Standardmodell erfasst sind
Rajantie und seine Kollegen schlagen dagegen eine viel einfachere Erklärung vor. „Wir haben den letzten unbekannten Parameter im Standardmodell untersucht – die Interaktion zwischen dem Higgs-Teilchen und der Gravitation“, erklärt der Forscher. Diese Wechselwirkung lässt sich nicht in Teilchenbeschleunigern oder anderen Experimenten untersuchen, daher ist unklar, welches Ausmaß und welche Auswirkung sie hat.