Ozean statt Kruste: Zwei nur 218 Lichtjahre entfernte Supererden haben sich als Ozeanwelten entpuppt. Gut die Hälfte ihres Volumens könnte aus Wasser oder ähnlich flüchtigen Substanzen bestehen. Die warmen Zwillingswelten Kepler-138c und d verbergen demnach wahrscheinlich einen rund 2.000 Kilometer dicken Ozean unter ihrer dichten Dampfhülle, wie Astronomen in „Nature Astronomy“ berichten. Damit widersprechen diese Exoplaneten gängigen Annahmen über Supererden als primär terrestrischen „großen Brüdern“ der Erde.
Supererden sind Exoplaneten, die größer und bis zu zehnmal schwerer sind als die Erde, aber ihr in ihrem Aufbau trotzdem stark ähneln – so jedenfalls die gängige Annahme. Astronomen haben schon zahlreiche Beispiele für diesen extrasolaren Planetentyp entdeckt. Darunter mehrere potenziell lebensfreundliche Welten und sogar einige Supererden, die einen planetenumspannenden Ozean besitzen könnten, wie TOI-1452b oder K2-18b. Einige Forscher vermuten sogar, dass es in unserer Galaxie mehr solcher Wasserwelten als Gesteinsplaneten geben könnte.
Zwei Supererden um einen Roten Zwerg
Zwei weitere Ozeanwelten haben nun Astronomen um Caroline Piaulet von der University of Montreal identifiziert. Die beiden Supererden kreisen um den rund 218 Lichtjahre entfernten Roten Zwergstern Kepler-138 und wurden schon 2014 vom Kepler-Weltraumteleskop entdeckt. Aus den Beobachtungen ging damals hervor, dass es sich um zwei fast gleichgroße Exoplaneten mit dem 1,17-fachen und 1,2-fachen Radius der Erde handelte.
Die beiden Supererden Kepler 138c und 138d umkreisen ihren Stern relativ nah. Auf ihrer Oberfläche herrscht daher vermutlich eine Gleichgewichtstemperatur von 136 und 72 Grad Celsius – sie sind demnach warme, aber nicht unbedingt extrem heiße Welten. Noch näher am Stern gibt es in diesem System einen weiteren, innersten Planeten, der etwa so schwer ist wie der Mars. Weitere Details zu den drei Planeten waren aber zunächst nicht bekannt.
Überraschend leichtgewichtig
Für ihre Studie haben Piaulet und ihr Team nun weitere 13 Transits dieser Planeten mit den Weltraumteleskopen Hubble und Spitzer beobachtet. Zusätzlich werteten sie Daten zur Radialgeschwindigkeit von Kepler-138 aus. Diese verrät, wie stark die Schwerkraft der umkreisenden Himmelskörper die Bewegungen des Sterns beeinflussen und damit deren Masse. Aus Größe und Masse der Planeten lässt sich wiederum die Dichte ermitteln und dies gibt Aufschluss über ihre Beschaffenheit.
Die Analysen enthüllten Überraschendes: Die beiden Supererden Kepler-138c und d sind leichter als gedacht – und sie haben eine deutlich geringere Dichte als für Supererden ihrer Größe typisch. Wenn ihr Kern wie bei der Erde und anderen terrestrischen Planeten vorwiegend aus Eisen besteht, muss der Rest dieser beiden Supererden entsprechend leicht sein. Den Analysen zufolge machen flüchtige Substanzen bei Kepler-138d gut elf Massenprozent und 51 Volumenprozent aus, bei Kepler-138c ist es ein bisschen weniger.
Ein 2.000 Kilometer dicker Ozean
Das aber bedeutet: „Ein großer Teil des Volumens beider Planeten besteht wahrscheinlich aus Wasser“, sagt Piaulets Kollege Björn Benneke. „Es ist das erste Mal, dass wir Planeten so klar als Wasserwelten identifizieren können.“ Den Daten zufolge könnte die Supererde Kepler-138d einen rund 2.000 Kilometer dicken Ozean besitzen, ähnliches nehmen die Astronomen für seinen sehr ähnlichen, aber ein wenig wärmeren Nachbarn Kepler-138c an.
„Stellen Sie sich eine größere Version von Europa oder Enceladus vor – den Eismonden, die Jupiter und Saturn umkreisen“, sagt Piaulet. „Weil Kepler-138c und d näher an ihrem Stern kreisen, könnte sie statt des Eises dicke Wasserhüllen besitzen.“ Diese weltumspannenden Ozeane liegen wahrscheinlich unter einer dichten Dampfhülle – möglicherweise ist der Druck an der Oberfläche dadurch so hoch, dass auch im Wasser ein hoher Druck herrscht oder das Wasser sogar in einem superkritischen Zustand ist. In dieser Phase ist Wasser zwar dicht wie eine Flüssigkeit, hat aber die gleiche Viskosität wie ein Gas.
Mehr „wässrige“ Supererden als Gesteinsplaneten?
Damit widersprechen die beiden Supererden um Kepler-138 den gängigen Annahmen über diese Sorte von Exoplaneten. Denn bisher galten sie als terrestrische, größere Analoga zur Erde. Die beiden Ozeanwelten und ihre geringe Dichte legen nun jedoch nahe, dass keineswegs alle Supererden einen erdähnlichen Aufbau haben müssen. „Die Population der Supererden ist demnach in ihrer Zusammensetzung nicht einheitlich“, konstatieren die Astronomen.
Stattdessen könnte ein erheblicher Teil der Supererden aus leichten Wasserwelten mit einem hohen Anteil flüchtiger Substanzen bestehen. Damit stützen Piaulet und ihr Team eine Theorie, nach es in unserer Galaxie deutlich mehr Ozeanwelten mit 25 bis 50 Prozent Wasseranteil geben könnte als bisher angenommen – möglicherweise gibt es sogar mehr von ihnen als von Gesteinsplaneten. Denn gerade Supererden und Mini-Neptune könnten dafür die passenden Voraussetzungen mitbringen.
Habitabler Außenplanet als Vierter im Bunde
Und noch eine Entdeckung machten Piaulet und ihre Kollegen: Bei der Auswertung der neuen Daten entdeckten sie Hinweise darauf, dass es im System um Kepler-138 noch einen vierten, zuvor unbekannten Planeten gibt. Dieser ist mit rund 0,43 Erdmassen deutlich kleiner als seine inneren Nachbarn – und er könnte in der habitablen Zone des Roten Zwergs liegen. Weil dieser Kepler-138e getaufte Planet aber nicht vor seinem Stern vorbeizieht, fehlen bisher nähere Daten zu seiner Größe und Beschaffenheit. (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-022-01835-4)
Quelle: University of Montreal