Ferne Welten im Visier: Astronomen haben die Atmosphäre eines neptungroßen Exoplaneten so detailliert wie nie zuvor erforscht – und sind auf eine Überraschung gestoßen. Demnach fanden sie in der Gashülle des fremden Planeten nicht nur deutliche Hinweise auf Wasser. Sie entdeckten dort auch weniger Spuren schwerer Elemente als erwartet. Damit unterscheidet sich der Exoplanet deutlich von seinem Namensvetter im Sonnensystem. Den Forschern liefert das interessante Einsichten über seine mögliche Entstehungsgeschichte.
Seit einigen Jahren weisen Astronomen immer mehr Planeten in fremden Sternensystemen nach. Inzwischen sind über 3.000 von diesen extrasolaren Himmelskörpern bekannt. Ihre Geheimnisse aber geben sie nur zögerlich preis. Zwar lässt sich die Größe und Masse der Exoplaneten leicht bestimmen – und damit auch, ob es sich um einen erdähnlichen Gesteinsplaneten oder einen Gasriesen nach Art des Jupiter handelt. Doch über die Zusammensetzung der Atmosphäre der fernen Planeten wissen Forscher bisher noch relativ wenig.
Insbesondere die Zusammensetzung weniger riesenhafter Exemplare wie zum Beispiel Neptun-großen Planeten ist vielfach ein Mysterium. Ist ihre Gashülle reich an Helium oder Kohlenstoffdioxid – oder handelt es sich gar um wasserreiche Welten? „Vor allem bei den sogenannten heißen Neptunen ist in vielen Fällen völlig fraglich, ob diese Exoplaneten womöglich Wasser besitzen – und wie viel davon in den äußeren Atmosphärenschichten enthalten ist“, schreiben Hannah Wakeford vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt und ihre Kollegen.
Deutliche Signatur von Wasser
Doch im Fall des etwa 430 Lichtjahre entfernten Planeten HAT-P-26b ist es den Astronomen nun gelungen, das Geheimnis eines dieser Himmelskörper zu lüften, die eine ähnliche Größe haben wie ihr Namensvetter im Sonnensystem, durch die Nähe zu ihrem Stern aber um ein Vielfaches wärmer sind. Um die Komposition der Atmosphärengase des Planeten zu bestimmen, warteten die Wissenschaftler darauf, dass sich dieser von der Erde aus gesehen vor seinen Stern schiebt. Denn unterschiedliche Gase absorbieren Licht bestimmter Wellenlängen und lassen sich so identifizieren.
Aufnahmen der NASA-Weltraumteleskope Hubble und Spitzer lieferten bei insgesamt sechs solchen Transits interessante Informationen über den Exoplaneten. Demnach enthält seine Gashülle eindeutig Spuren von Wasserstoff und Helium – und auch eine deutliche Signatur von Wasserdampf konnte Wakefords Team im Absorptionsspektrum nachweisen.
Überraschung in der Atmosphäre
Mithilfe der für die Atmosphäre berechneten Wassermenge schätzten die Forscher anschließend auch die sogenannte Metallizität ab. Dieser Parameter gibt an, wie hoch der Anteil an Elementen schwerer als Wasserstoff und Helium ist. Als Referenzwert dient dabei die Sonne. Wie andere Sterne auch besteht diese aus einem fast völlig von Wasserstoff und Helium dominierten Gemisch. Die Gasriesen Jupiter und Saturn haben bereits einen fünf- und zehnmal so großen Anteil an Metallen – und bei Neptun und Uranus ist er schon hundertmal so groß.
Bei den vier größten Planeten in unserem Sonnensystem korreliert die Metallizität der Atmosphäre demnach mit der Masse der Himmelskörper: je leichter der Planet, desto mehr schwere Elemente enthält seine Hülle. Deshalb gingen die Forscher zunächst davon aus, dass die Atmosphäre des Neptun-gleichen Exoplaneten eine ähnliche Metallizität wie die seines Namensvetters aufweist. Bei den Berechnungen ergab sich jedoch ein unerwartetes Ergebnis: eine Metallizität, die dem 4,8-fachen der Sonne entspricht – damit ähnelt HAT-P-26b in dieser Hinsicht viel mehr dem Jupiter als dem Neptun.
Hinweis auf Entstehungsgeschichte
„Astronomen haben gerade erst begonnen, die Atmosphären dieser Neptun-großen Planeten zu erforschen – und schon sind wir auf ein Exemplar gestoßen, das dem aus unserem Sonnensystem bekannten Trend widerspricht. Es ist diese Art von unerwarteten Erkenntnissen, weshalb ich die Erkundung dieser fremden Planeten so liebe“, schwärmt Wakeford.
Die Daten über die erstaunliche Zusammensetzung seiner Atmosphäre deuten nicht nur darauf hin, dass ein Großteil der massereichen Elemente im Kern des Exoplaneten enthalten sein muss – sie geben den Wissenschaftlern auch Aufschluss über seine mögliche Entstehungsgeschichte. Denn: Wenn Planetensysteme geboren werden, wirbelt zunächst eine Scheibe aus Staub, Gas und Trümmern um den späteren Heimatstern herum, aus der sich die Planeten zu formieren beginnen. Besonders in den Randbereichen dieser Scheibe kommen viele feste Bestandteile mit schweren Elementen vor – im heißen Inneren des entstehenden Systems hingegen weniger.
Späte Gashülle?
Demnach muss sich der Exoplanet samt seiner Gashülle entweder extrem dicht bei seinem Stern gebildet haben. Oder aber er erwarb seine äußere Hülle erst relativ spät. So seien gegen Ende des Entstehungsprozesses solcher Systeme weite Bereiche der Scheibe durch die sich bildenden Planeten freigeräumt, schreibt das Team. Entstand die Gashülle dann, wäre eine „Verschmutzung“ durch umherfliegende Teile auch weiter außerhalb unwahrscheinlicher gewesen.
„Uns interessiert, wie andere Planetensysteme entstehen, um unser eigenes Sonnensystem besser einordnen zu können“, erklärt Wakeford das Anliegen der Forscher. „Schlussendlich geht es uns darum herauszufinden, wie einfach es ist, ein Sonnensystem wie das unserige zu formen.“ „Das Spannende ist, dass wir nicht wissen, ob dieser Exoplanet ein ungewöhnliches oder ein typisches Exemplar ist. Denn er ist der einzige fremde Planet dieser geringen Masse, von dem wir so genaue Messungen haben“, schließt Mitautor Ian Crossfield von der University of California in Santa Cruz. (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aah4668)
(University of Exeter/ American Association for the Advancement of Science, 12.05.2017 – DAL)