Astronomie

Weltraum-Teleskop Herschel geht in Ruhestand

Nach dreieinhalb Jahren ist das Kühlmittel des Infrarot-Teleskops aufgebraucht

Teleskop Herschel vor Infrarot-Aufnahme der Sternenwiege Vela C © ESA/PACS & SPIRE Consortia / CNRS

Die Astronomie hat ein „Auge im All“ weniger: Das Infrarot-Observatorium Herschel der europäischen Weltraumagentur (ESA) hat seinen Vorrat an flüssigem Helium erschöpft. Da dieses Kühlmittel für die sensiblen Instrumente nötig ist, ist damit der wissenschaftliche Teil der Mission beendet. In den mehr als dreieinhalb Jahren seit seinem Start hat Herschel seinen einzigartigen Blick nicht nur auf ferne Galaxien und Sterne gerichtet. Die Mission hat auch neue und überraschende Erkenntnisse über unser Sonnensystem ermöglicht.

Das Ende kam nicht unerwartet: Denn von Beginn der Mission war klar, dass die mehr als 2.300 Liter flüssiges Helium, die Herschel bei seinem Start im Mai 2009 an Bord hatte, allmählich verdunsten werden. Das Kühlmittel wurde benötigt, um die Instrumente des Infrarot-Teleskops auf nahe den absoluten Nullpunkt abzukühlen. „Doch das Helium verdunstet nach und nach“, erklärt Miriam Rengel, Mitglied des Herschel-Teams vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). „Geht der Vorrat zu Neige, überhitzen die Instrumente und werden unbrauchbar.“ Denn nur mit Kühlung war es ihnen möglich, winzige Temperaturunterschiede im kalten Universum hochauflösend zu messen und abzubilden.

Mit einem Spiegeldurchmesser von 3,5 Metern war Herschel das größte Infrarot-Teleskop, das jemals im Weltraum betrieben wurde. Zudem ist es das erste Observatorium, das mit seinen drei wissenschaftlichen Instrumenten den kompletten Wellenlängenbereich vom fernen Infrarot bis zum Submillimeter-Bereich abdeckt.

Gasfilamente und Sternengeburten

“Herschel hat uns eine ganz neue Sicht auf das bisher verborgene Universum eröffnet“, sagt Göran Pilbratt von der ESA. „So gab das Teleskop einen Einblick in den Prozess der Sterngeburt und Galaxienbildung und folgte der Spur kosmischen Wassers von Molekülwolken bis zu neugeborenen Sternen und ihren Planetenscheiben.“ Insgesamt mehr als 35.000 wissenschaftliche Beobachtungen und 25.000 Stunden Beobachtungs- und Messdaten hat das Teleskop in seinen rund drei Jahren Laufzeit geliefert.

Zu den Aufnahmen gehören faszinierende Bilder von fein ziselierten Staub- und Gasfilamenten in unserer Milchstraße. Sie tragen Spuren früherer Sternengeburten in sich. Die Beobachtungen im fernen Infrarot lieferten den Astronomen zudem neue Einblicke darin, wie Turbulenzen Gas im interstellaren Raum beeinflussen und netzähnliche Strukturen in den kalten Molekülwolken erzeugen. Aber auch innerhalb unseres Sonnensystems hat Herschel wertvolle Einsichten geliefert: „Um Moleküle wie etwa Wasser, Sauerstoff und Kohlenstoffoxid in den Atmosphären von Planeten und Monden sowie in der Umgebung von Kometen aufzuspüren, muss man die ferne Infrarotstrahlung dieser Objekte untersuchen“, erklärt Paul Hartogh MPS. In diesem Teil des elektromagnetischen Spektrums hinterlassen solche Verbindungen ihre charakteristischen Fingerabdrücke.

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Blausäure, Wasserdampf und ein Komet

So ist es den Forschern etwa gelungen, die thermisch-physikalischen Eigenschaften mehrerer kleiner Körper zu bestimmen, die jenseits der Umlaufbahn des Neptuns um die Sonne kreisen. Diese Brocken sind primitive Überbleibsel aus einer sehr frühen Entwicklungsphase des Sonnensystems. Zudem konnten die Wissenschaftler mit Hilfe von Herschel-Daten erstmals HNC, ein Zwitterion der Blausäure, in der Atmosphäre des Saturnmondes Titan nachweisen. Und sie entdeckten, dass Fontänen des Saturnmondes Enceladus einen riesigen Wasserdampfring um den Saturn speisen.

Auch Herschels Blick auf den Kometen Hartley 2, der sich 2010 der Erde auf nur 18 Millionen Kilometer näherte, lieferte überraschende Ergebnisse. Das Verhältnis von schwerem Wasser, bei dem ein Wasserstoff-Atom durch das schwere Isotop Deuterium ersetzt ist, zu normalem Wasser entspricht fast genau dem entsprechenden Verhältnis auf der Erde. Anders als zuvor gedacht, kommen Kometen somit doch als wichtige Wasserlieferanten für die frühe Erde in Frage. „Isotopische Untersuchungen von Planeten- und Kometenatmosphären liefern entscheidende Hinweise auf die Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems“, sagt Hartogh.

„Herschel hat alle Erwartungen übertroffen und uns einen unglaublichen Schatz an Daten hinterlassen, der Astronomen noch in den kommenden Jahren beschäftigen wird“, erklärt Alvaro Giménez Cañete, ESA-Direktor für Wissenschaft und robotische Erkundung. Für die Wissenschaftsgemeinde ist die Mission noch nicht beendet. „Die Daten auszuwerten, die wir in den vergangenen Jahren gesammelt haben, wird uns noch lange beschäftigen“, so Rengel. Im Mai dieses Jahres wird Herschel in eine stabile Umlaufbahn um die Sonne überführt und dort langfristig „geparkt“.

(ESA/ MPS, 02.05.2013 – NPO)

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