Das auf den Namen „Johannes Kepler“ getaufte zweite automatische Transferfahrzeug (ATV) der ESA ist gestern Abend um 22:50 Uhr MEZ an Bord einer Ariane-5 vom Weltraumbahnhof Kourou erfolgreich in die Erdumlaufbahn gestartet. Das unbemannte Versorgungsfahrzeug soll wichtige Fracht zur Internationalen Raumstation (ISS) bringen und während seiner knapp viermonatigen Mission von Zeit zu Zeit die Flugbahn der Station anheben.
An Bord von Johannes Kepler befindet sich neben Verpflegung, Gütern und Treibstoff das deutsche Experiment „GeoFlow II“, mit dem Wissenschaftler das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten erforschen wollen.
Insgesamt vier ATV-Missionen geplant
In einer Höhe von 260 Kilometern trennte sich der Raumtransporter von der Oberstufe der Ariane-Rakete und nähert sich nun mit Hilfe von GPS, Radar und optischen Sensoren selbständig der ISS. Das ATV dockt dabei vollautomatisch an das russische Service-Modul „Zvesda“ an, wo es für mindestens drei Monate bleibt. Frühestens am 4. Juni wird der Transporter wieder von der ISS abdocken und schließlich beim kontrollierten Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen.
„Mit dem ATV Johannes Kepler leiten wir nun eine Reihe regelmäßiger Frachtflüge zur ISS ein“, so Simonetta Di Pippo, ESA-Direktorin für bemannte Raumfahrt. Und ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain ergänzte: „Das ATV-2 ist eines von insgesamt 4 geplanten ATV-Missionen.“
GeoFlow II: Im All die Erde erforschen
An Bord des ATV-2 befinden sich auch verschiedene Experimente. Eines davon ist die deutsche Forschungsapparatur GeoFlow II, die im Columbuslabor installiert werden soll. Wissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus wollen mit dem Nachfolger des Experiments GeoFlow, das bereits 2008 erfolgreich auf der ISS zum Einsatz kam, konvektive Strömungen im flüssigen Erdmantel simulieren.
Ziel ist es unter anderem, Erkenntnisse über den Wärmetransport und das Strömungsverhalten von Magma zu erhalten. Die Untersuchungen sollen von Frühjahr bis Anfang des Sommers dauern.
ATV – eine Erfolgsstory
Johannes Kepler ist noch leistungsfähiger als sein Vorgängermodell, das ATV-1 „Jules Verne“. Bereits 2008 hatte es mit seiner erfolgreichen Mission eindrucksvoll die Zuverlässigkeit der neuen Technologie demonstriert. Die Erkenntnisse aus diesem ersten Testflug sind bei der Konstruktion von ATV-2 eingeflossen. Es verfügt außerdem über zwei Kubikmeter mehr nutzbares Volumen und kann rund 300 Kilogramm Nutzlast zusätzlich transportieren.
Doch das ATV dient nicht nur dem Transport von Gütern. Eine weitere wichtige Aufgabe ist das Anheben der Raumstation auf eine höhere Bahnebene mit Hilfe seiner eigenen Triebwerke. Diese Reboost-Manöver befördern die ISS jeweils auf eine fünf bis sieben Kilometer höhere Umlaufbahn. Bei der Astrium GmbH in Bremen schreitet unterdessen der Bau von ATV 3, 4 und 5 mit Hochdruck voran. ATV-3 soll im Sommer zum Weltraumzentrum nach Kourou ausgeliefert werden. Der Start ist im Februar/März 2012 geplant, die folgenden in jeweils jährlichen Abständen.
Ariane-Rakete für ATV-Start optimiert
Bei ihrem 200. Start trug die europäische Ariane-5-Rakete mit ATV-2 die schwerste Nutzlast in den Orbit, die bisher von einem Träger der Ariane-Familie transportiert wurde: stolze 20.100 Kilogramm Gesamtmasse besitzt Johannes Kepler. Die speziell auf ATV-Missionen zugeschnitten Version Ariane 5ES kam nach dem Start von „Jules Verne“ am 9. März 2008 nun zum zweiten Mal zum Einsatz. In ihrer EPS-Oberstufe sorgt ein Aestus-Triebwerk für den Schub, das bei dieser Mission drei Mal gezündet wird.
Maßgebliche Beteiligung deutscher Firmen
Das ATV ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt unter Führung der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Vom ATV-Kontrollzentrum in Toulouse aus wird der Missionsbetrieb überwacht. Für die programmatische Steuerung und die Vertretung der deutschen Interessen im ISS-Programm der ESA ist das DLR Raumfahrtmanagement im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zuständig.
Die industrielle Führung des Projektes liegt bei EADS Astrium. Am DLR-Standort in Lampoldshausen wurden die deutschen wiederzündbaren Oberstufentriebwerke der Ariane 5 ES getestet. Das DLR in Oberpfaffenhofen stellt den Kommunikationsknoten für die Kommunikation der beteiligten Kontrollzentren beim ATV-Betrieb.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) / ESA, 17.02.2011 – DLO)