Gemischte Ergebnisse: Zum ersten Mal sind irdische Pflanzen auf echtem Mondmaterial gewachsen – auf Mondstaubproben der Apollo-Missionen. Auf dem mit Nährlösung angereicherten Regolith entwickelten sich tatsächlich Pflänzchen aus den Samen. Allerdings: Die Pflanzen waren mickrig, hatten verfärbte Blätter und auch ihre Genaktivität deutete auf massive Stressreaktionen hin. Ein Pflanzenanbau auf lunarem Untergrund ist demnach zwar prinzipiell möglich, aber schwierig.
Schon in naher Zukunft werden Astronauten zum Mond zurückkehren und dort möglicherweise sogar dauerhaft Mondstationen errichten. Voraussetzung einer solchen Kolonisierung des Erdtrabanten sind allerdings ausreichende Ressourcen – Wasser, Sauerstoff und Energie müssen vor Ort gewonnen werden. Ähnliches gilt auch für die Nahrungsversorgung, vor allem mit Pflanzen.
Pflanzen für die Mondkolonien der Zukunft
Wie man Gemüse und Co unter Mond- und Marsbedingungen anbauen kann, testen Wissenschaftler schon seit längerem mit hydroponischen Gewächshäusern unter anderem in der Antarktis, aber auch mit Regolith-Analoga. Diese bestehen aus Vulkansand aus Hawaii, dessen scharfkantigen Körner und mineralische Beschaffenheit dem des lunaren Untergrunds ähnelt. Tatsächlich wuchsen Tomaten, Salat und Co auf solchen Analoga relativ gut – aber würde dies auch für echten Mond-Regolith gelten?
Das haben nun Anna-Lisa Paul von der University of Florida in Gainesville und ihre Kollegen getestet: Als erstes Forschungsteam überhaupt bekamen sie die Chance, dafür echtes Mondmaterial aus dem Fundus der Apollo-Missionen zu nutzen. Die vor rund 50 Jahren von den NASA-Astronauten zur Erde gebrachten Mondproben sind für die Planetenforschung bis heute extrem wertvoll und werden daher nur für wenige, ausgewählte Tests zur Verfügung gestellt.
Erster Test mit Apollo-Mondstaub
Doch nach elf Jahren des Wartens hatten Paul und ihr Team endlich Glück: Sie erhielten zwölf Gramm Mondstaub für ihre Pflanzversuche. Die Proben stammten von drei verschiedenen Mondmissionen: Der Regolith von Apollo 11 und 12 war schon länger der harten Strahlung der Mondoberfläche ausgesetzt und daher chemisch-physikalisch „gereift“, wie das Team erklärt. Die Proben von Apollo 17 enthielten hingegen „unreifen“ Mondstaub aus vor der Weltraumverwitterung geschützten Probenstellen.
Für ihre Tests mussten die Forschenden sparsam mit dem wertvollen Material umgehen: Als „Blumentöpfe“ dienten ihnen die winzigen Vertiefungen in einem normalerweise für Zellkulturtests verwendeten Plastiktablett. In jede dieser Senken füllten sie ein Gramm Regolith, feuchteten dieses mit einer Nährlösung an und gaben Samen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) hinzu – einer bewährten und genetisch gut untersuchten Versuchspflanze. Als Kontrolle diente das von der NASA entwickelte Regolith-Analog JSC-1A.
Auskeimen klappt, Wachstum nur bedingt
Es zeigte sich: Alle Samen keimten zwischen 48 und 60 Stunden nach dem Pflanzen aus und die lunaren Keimlinge entwickelten normale Stiele und Keimblätter. „Wir waren überrascht, das hatten wir nicht erwartet“, sagt Paul. „Das zeigt uns, dass die lunaren Böden die Signale und Hormone der Pflanzenkeimung schon mal nicht unterbrechen.“ Auch im weiteren Verlauf wuchsen alle Pflanzen heran und entwickelten Wurzeln und weitere Blätter.
Schon nach wenigen Tagen zeigten sich allerdings erste Unterschiede: „Verglichen mit dem JSC-1A-Analog brauchten die lunaren Pflanzen länger, um ihre Blätter zu entfalten, hatten kleinere Blattrosetten und einige waren stark verkümmert und stark pigmentiert – das ist ein typischer Indikator für pflanzlichen Stress“, berichten die Forschenden. Statt des normalen Grüns waren die auf Mondregolith wachsenden Pflanzen rötlich und bräunlich verfärbt.
Am stärksten beeinträchtigt waren die Testpflanzen auf den Apollo-11-Proben, etwas besser war das Wachstum hingegen auf dem weniger verwitterten Mondmaterial der Apollo-17-Proben, wie das Team berichtet.
Deutliche genetische Stressreaktion
Um mehr über die Ursachen des beeinträchtigten Wachstums herauszufinden, analysierten Paul und ihre Kollegen die Genaktivität der Testpflänzchen. Auch dabei zeigten sich deutlich Unterschiede zum Regolith-Analog: Bei den auf lunarem Material wachsenden Pflanzen waren hunderte Gene aktiv, die für hohe Stressbelastungen typisch sind. „71 der Prozent dieser Gene sind mit Belastungen durch Salze, Metalle und hochreaktive Sauerstoffverbindungen verknüpft“, berichten die Forschenden.
Auch bei dieser genetischen Stressreaktion zeigte sich eine abgestufte Reaktion auf die unterschiedlich „reifen“ lunaren Regolithe: Die Pflanzen auf dem Apollo-11-Substrat hatten 465 stress-assoziierte Gene aktiviert, bei den Apollo-12-Pflanzen auf dem etwas weniger verwitterten Mondstaub waren es 265 und bei Apollo-17 113 Stressgene. „Dies deutet darauf hin, dass die Pflanzenreaktion auch von der Art des Regoliths abhängt“, schreiben Paul und ihre Kollegen.
Lunarer Pflanzenanbau – möglich, aber schwierig
Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass Pflanzen prinzipiell auf Mondstaub wachsen können, wenn man diesen mit Nährlösung anreichert. „Allerdings ist der lunare Regolith kein sehr pflanzenfreundliches Wachstumssubstrat“, so das Team. Selbst die Pflanzen, die sich noch halbwegs gut entwickeln, zeigen klare Anzeichen einer hohen Stressbelastung. Ob und wie man dies möglicherweise ausgleichen könnte, muss nun weiter erforscht werden.
Eine weitere Erkenntnis: Wenn man lunare Gewächshäuser einrichtet, sollte man als Substrat möglichst „unreifen“, wenig der Strahlung ausgesetzten Regolith verwenden. Denn die chemisch-physikalischen Veränderungen, die das Material an der Mondoberfläche im Laufe der Zeit ansammelt, scheinen für irdische Pflanzen besonders unbekömmlich zu sein.
Offen bleibt allerdings, ob Pflanzen überhaupt der hohen Strahlenbelastung auf der Mondoberfläche standhalten könnten. Zwar hat die chinesische Mondlandesonde Chang’e 4 im Jahr 2019 das erfolgreiche Auskeimen von Testpflanzen in einem mitgebrachten Keimbehälter nachgewiesen. Irdische Wachstumstests unter erhöhter Strahlung haben jedoch gezeigt, dass auch dies zu Kümmerwuchs und pflanzlichen Stressreaktionen führt. (Communications Biology, 2022; doi: 10.1038/s42003-022-03334-8)
Quelle: University of Florida