Geheimnisse gelüftet: Astronomen ist es gelungen, endlich einige fundamentale Merkmale der Venus präziser zu bestimmen – darunter Rotationstempo, Achsneigung und Präzession. Dies liefert wertvolle Informationen auch über ihr Inneres. Die Radarmessungen enthüllen unter anderem, dass ein Venustag fast acht Erdmonate dauert und dass die Tageslänge auf unserem Nachbarplaneten um bis zu 20 Minuten schwankt, wie das Team im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichtet.
Die Venus ist in vielem eine Schwester der Erde – sie ist etwa gleich groß, ähnlich aufgebaut und könnte einst genauso lebensfreundlich gewesen sein. Und doch gibt unser naher Nachbar Rätsel auf. Denn selbst fundamentale Merkmale wie ihre genaue Rotationsgeschwindigkeit, die Neigung ihrer Achse oder die Größe und Beschaffenheit ihres Kerns sind für die Venus erst in Ansätzen bekannt. Weil der dichte Schleier ihrer Atmosphäre alles verhüllt, sind selbst Vorgänge auf ihrer Oberfläche schwer zu erforschen.
Radarreflexionen als Bewegungsmesser
Jetzt ist es einem Team um Jean-Luc Margot von der University of California in Los Angeles gelungen, wichtige Grundmerkmale der Venus präziser als je zuvor zu messen. Dafür sendeten sie im Laufe der letzten 14 Jahre immer wieder starke Radarstrahlen vom Goldstone-Radioteleskop in Kalifornien zur Venus, wo sie durch die Wolken dringen und von der Venusoberfläche reflektiert werden. Die reflektierte Strahlung wurde dann vom Green-Banks-Radioteleskop in West Virginia wieder eingefangen.
„Im Prinzip nutzen wir die Venus als gigantische Diskokugel, mit dem Radioteleskop als Scheinwerfer und der Landschaft des Planeten als Millionen winziger Reflektoren“, erklärt Margot. Das Sprenkelmuster der zurückgeworfenen Radarstrahlen verrät dann, wie sich bestimmte Referenzpunkte der Venusoberfläche mit der Zeit bewegen – und das liefert Informationen über Rotation, Achsenneigung und auch die Trägheit des Planeten.
Länge eines Venustages schwankt um 20 Minuten
Die Messdaten enthüllen: Die Venus benötigt für eine Rotation im Mittel 243,0226 Erdtage – ein Tag dauert demnach auf unserem Nachbarplaneten rund zwei Drittel eines Erdenjahres. Doch während die irdische Tageslänge nur um Millisekunden variiert, schwankt sie auf der Venus erheblich: Ein Venustag kann bei einer Messung rund 20 Minuten länger oder kürzer sein als bei der nächsten. „Das erklärt vermutlich, warum bisherige Schätzungen der Tageslänge so weit auseinander lagen“, sagt Margot.
Ursache für diese starken Schwankungen der Tageslänge ist wahrscheinlich die enorme Masse und Dichte der Venus-Gashülle. Durch Wechselwirkungen mit der Planetenoberfläche beeinflusst sie die Rotation und kann sie abbremsen oder beschleunigen. „Die Venus hat einen rund 180-mal stärkeren atmosphärischen Drehimpuls, dadurch ist der Anteil der Gashülle am Gesamtdrehimpuls des Planeten rund 60.000-fach größer als bei der Erde“, erklären die Forschenden.
Geringere Achsneigung, langsamere Präzession
Die neuen Messungen liefern auch genauere Werte für die Neigung und Bewegung der Venusachse. Demnach ist ihre Rotationsache um 2,6392 Grad gegenüber ihrer Bahn gekippt – deutlich weniger als die rund 23 Grad Neigung der Erdachse. Wie die Erde vollführt jedoch auch die Venusachse im Verlauf der Zeit leichte Pendel- und Taumelbewegungen. Weil diese Präzession zum Teil durch die Massenverteilung und Prozesse im Planeteninneren beeinflusst wird, gibt sie wertvolle Hinweise auf die interne Beschaffenheit der Venus.
Wie das Team ermittelte, verändert die Venusachse ihre Orientierung gegenüber dem Sternenhintergrund pro Jahr um rund 44,58 Bogensekunden. Dadurch vollführt sie im Verlauf von 29.000 Jahren einen kleinen Kreis und benötigt für einen solchen Präzessionszyklus rund 3.000 Jahre länger als die Erde.
Venuskern genauso groß wie der der Erde
Aus der Kombination dieser Werten konnten Margot und seine Kollegen auch das Trägheitsmoment des Planeten errechnen und damit eine physikalische Größe, die Rückschlüsse auf ihre innere Zusammensetzung erlaubt. „Ausgehend von einem groben Zweischichtmodell kommen wir auf einen Radius des Venuskerns von rund 3.500 Kilometern“, berichten sie. Allerdings könnte die wahre Kerngröße wegen der großen Unsicherheiten um bis zu 500 Kilometern abweichen.
Sollte sich dieser Wert jedoch bestätigen, dann hätte die Venus nicht nur fast die gleiche Gesamtgröße wie die Erde, sondern auch einen ähnlich großen Kern. Ob allerdings der Venuskern fest oder flüssig ist oder wie bei der Erde in zwei unterschiedliche Zonen aufgeteilt sind, ist bislang unbekannt. (Nature Astronomy, 2021; doi: 10.1038/s41550-021-01339-7)
Quelle: University of California – Los Angeles