Astronomie

Wie übersieht man einen Asteroiden?

Warum der 100-Meter-Brocken "2019 OK" erst kurz vor seinem nahen Vorbeiflug entdeckt wurde

2019 OK
Der 100 Meter große Asteroid 2019 OK wurde erst einen Tag vor seinem nahe Vorbeiflug an der Erde entdeckt – warum? © S. Schmalz / ISON, NASA/JPL

Zu spät entdeckt: Am 26. Juli 2019 ist ein 100 Meter großer Asteroid der Erde bis auf nur 65.000 Kilometer nahegekommen – das entspricht einem Fünftel der Mondentfernung. Das Brisante daran: Der Brocken wurde erst zwölf Stunden vor seiner Passage von den Astronomen entdeckt. Wäre er auf Kollisionskurs gewesen, hätte man nichts mehr unternehmen können. Wie aber kam es dazu?

Die Erde ist einem ständigen Bombardement durch kleinere und größere Brocken aus dem All ausgesetzt. Kleinere Treffer wie der Meteor von Tscheljabinsk oder das Tunguska-Ereignis im Jahr 1908 lösen lokale Zerstörungen aus, größere Asteroiden jedoch können ganze Landstriche verwüsten oder sogar eine globale Katastrophe auslösen – wie beim Einschlag des „Dinokiller„-Asteroiden vor 66 Millionen Jahren. Entsprechend wichtig ist es, Asteroiden auf Erdkurs möglichst für zu identifizieren.

Der Vorbeiflug

Doch genau dies ist nicht einfach, wie der aktuelle Fall demonstriert. Denn der 100 Meter große Asteroid 2019 OK wurde erst kurz vor seinem nahen Vorbeiflug an der Erde von den Astronomen entdeckt. Der Brocken bewegt sich auf einem stark elliptischen Orbit durch das Sonnensystem, der von jenseits des Venusorbits bis jenseits des Marsorbits reicht – und den Asteroiden dabei immer wieder auch die Erdbahn kreuzen lässt.

Am 26. Juli 2019 passierte 2019 OK in nur 65.000 Kilometern Abstand die Erde – das entspricht einem Fünftel des Mondabstands oder etwa der dreifachen Höhe der GPS-Satelliten im hohen Erdorbit. Dieser Vorbeiflug war demnach völlig ungefährlich, es bestand keine Gefahr eines Einschlags. Wäre er jedoch auf Kollisionskurs gewesen, hätte er eine ganze Stadt zerstören können. Ein Einschlag im Meer hätte einen Tsunami ausgelöst.

Kaum seitliche Bewegung

Das Brisante an diesem Fall ist jedoch, dass der Asteroid erst einen Tag vor seiner Passage überhaupt entdeckt wurde. Als erstes identifiziert hat ihn am 25. Juli das SONEAR-Teleskop in Brasilien – ein auf die Überwachung von erdnahen Asteroiden spezialisiertes Observatorium. Diese Teleskope nehmen im Laufe einer Nacht mehrere Aufnahmen des gleichen Himmelsausschnitts auf und suchen dann nach Objekten, die sich gegenüber den Hintergrundsternen bewegen.

Doch genau dies war das Problem: Weil 2019 OK fast genau auf die Erde zuflog, veränderte sich seine Position gegenüber dem Sternenhimmel während seiner Annäherung kaum. Dies aber ist das Merkmal, an dem Astronomen unter den unzähligen Lichtpunkten der Sterne und anderen Objekte erkennen. Tatsächlich war 2019 OK schon einige Wochen zuvor in Teleskopaufnahmen aufgetaucht, wie sich später herausstellte. Weil er aber seine Position von einer Aufnahme zur nächsten kaum veränderte, blieb er zunächst quasi „unsichtbar“.

Erschwerend kommt hinzu, dass 2019 OK einem Orbit folgt, von dem nur wenige Ausschnitte überhaupt von der Erde sichtbar sind. Der Asteroid kann daher nur zu bestimmten Zeiten überhaupt gesichtet werden.

Ein Einzelfall?

SONEAR bemerkte 2019 OK aus diesen Gründen erst, als der Asteroid schon relativ nah war. Es detektierte ihn als ein Objekt, dass sich zwar scheinbar langsam bewegte, aber ungewöhnlich hell war. Dies kann auf ein weit entferntes sehr großes Objekt hindeuten, aber auch auf einen nahen, fast genau auf uns zu fliegenden Brocken. Deshalb schlug die Software dann Alarm.

Ist 2019 OK ein Einzelfall? Leider nein. „Wenn es dort draußen einen Asteroiden gibt, der kurz davor ist die Erde zu treffen, besteht eine substanzielle Chance, dass man ihn nicht erkennen würde – selbst wenn er schon mehrere Tage vorher aufgenommen wurde“, erklärte Asteroidenforscher Alan Harris vom DLR schon vor einigen Jahren. Denn die automatisierten Teleskope zur Asteroidenüberwachung schaffen es noch nicht, solche „versteckten Anflüge“ zuverlässig zu identifizieren, wie der aktuelle Fall demonstriert.

Flyeye-Teleskop
Künstlerische Darstellung des Flyeye-Teleskops der ESA. © ESA/ A. Baker

Chance zur Verbesserung der Überwachungs-Algorithmen

Für die Astronomen ist 2019 OK daher eine Chance, diese Programme weiter zu verbessern. „Dieser nicht erkannte Asteroid wird genutzt werden, um die Software zu testen, die in das neue Asteroidenjäger-Teleskop der ESA eingebaut werden soll, das Flyeye“, erklärt Rüdiger Jehn, Leiter der planetaren Abwehr bei der ESA.

Die ESA plant, ab 2019 ein neues Netzwerk von Asteroiden-Überwachungsteleskopen des Flyeye-Typs zu installieren. Seine Namen hat dieses Teleskop wegen seiner Fähigkeit, wie das Facettenauge einer Fliege 16 Himmelsaufnahmen gleichzeitig zu erstellen. Dadurch besitzt es ein besonders großes Blickfeld von rund 45 Winkelgrad. Das erste Teleskop dieses Typs soll Ende 2019 auf Sizilien installiert werden.

Quelle: ESA

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