Rückblick in die Jugend unseres Sterns: Astronomen haben untersucht, wie sich sonnenähnliche Sterne in ihrer Frühzeit entwickeln – und dabei Überraschendes entdeckt. Denn die Jungsterne geben länger intensive Röntgenstrahlung ab als gedacht. Erst nach rund sieben Millionen Jahren fällt die Intensität dieser harten Strahlung deutlich ab. Das aber bedeutet, dass auch die protoplanetare Scheibe und jungen Planeten unseres Sonnensystems mehr Strahlung abbekommen haben.
Unsere Sonne wuchs wie die meisten anderen Sterne in einer dichten Ansammlung stellarer Geschwister auf – möglicherweise war sie sogar einst Teil eines Doppelsternsystems. In weniger als einer Million Jahren könnte sie sich im dichten Gas der Sternenwiege vom prästellaren Kern zum Protostern entwickelt haben. Nachdem die heranwachsende Sonne den größten Teil ihrer Masse aus der Umgebung angezogen hatte, wurde sie zum Vorhauptreihenstern: Der junge Stern zog sich zusammen und wurde immer heißer und dichter. Diese Verdichtung hielt an, bis die Kernfusion zündete – und aus dem Sternenembryo ein neuer Stern geworden war.
Was passiert in der Vorhauptreihen-Phase eines Sterns?
Doch was genau in der Zeit vor der Fusionszündung vor sich geht, ist bislang kaum geklärt. „Gerade die späte Vorhauptreihenphase ist relativ wenig untersucht, weil große und verlässliche Mengen solcher Sterne schwer zu finden sind“, erklären Konstantin Getman von der Pennsylvania State University und seine Kollegen. Unklar ist insbesondere, wie sich bei solchen Sternen das Magnetfeld und die Strahlung entwickeln – und wie dies die schon bestehende protoplanetare Scheibe und mögliche Protoplaneten beeinflusst.
Jetzt liefert die bisher umfassendste Analyse solcher Vorhauptreihensterne neue Einblicke in diese entscheidende Phase der Sternentwicklung. Getman und sein Team haben dafür Daten des Röntgenteleskops Chandra und des Gaia-Satelliten für gut 6.000 sonnenähnliche Sterne im Alter von sieben bis 25 Millionen Jahren ausgewertet. Die zwischen 0,75 und 3,5 Sonnenmassen schweren Sterne befinden sich in der späten Vorhauptreihenphase. Die Daten kombinierten die Astronomen mit früheren Erhebungen zu weniger als fünf Millionen Jahre alten Sternen.
Intensive Strahlung hält länger an
Die Analysen enthüllten Überraschendes: Anders als zuvor angenommen nimmt die starke Röntgenstrahlung der Vorhauptreihensterne nicht stetig ab, sondern bleibt mehrere Millionen Jahre extrem hoch. Ein 0,75 bis eine Sonnenmasse schwerer Jungstern setzt in dieser Zeit die enorme Energie von 1031 Erg pro Sekunde als Röntgen- und Extrem-UV-Strahlung frei, wie die Astronomen ermittelten. Das ist gut tausendmal mehr als die heutige Sonne abgibt.
Erst ab einem Alter von fünf bis sieben Millionen Jahren kündigt sich eine Veränderung an – deutlich später als bisher gedacht: „Mit Eintritt in die späte Vorhauptreihen-Phase sackt die mittlere Röntgen-Leuchtkraft rapide ab, während der Stern sich der Zündung der Kernfusion nähert“, berichten die Astronomen.
Die Forschenden erklären diesen Wandel mit einem grundlegenden Umbau im Sterneninneren: Bei einem Protostern erstrecken sich die Plasma-umwälzenden Konvektionsströmungen noch durch das gesamte Innere. Mit zunehmendem Alter jedoch schrumpft die Konvektionszone und umfasst nur noch die äußeren Zonen des Sterns. Das wiederum verändert die Physik des solaren Dynamos und der Magnetfelder und verringert die von der Oberfläche ausgehende harte Strahlung.
Folgen auch für das frühe Sonnensystem
Auch unsere Sonne könnte erst fünf bis sieben Millionen Jahren nach ihrer Entstehung allmählich ihre tödlich-intensive Röntgen- und Extrem-UV-Strahlung abgemildert haben. „Dies dürfte signifikante Auswirkungen auf die Entwicklung der primären Atmosphären von Protoplaneten und jungen Planeten haben“, so die Astronomen. Denn der harte Sternenwind der Sonne in der frühen Vorhauptreihen-Phase blies alles nicht gebundene Gas aus der Urwolke ins All. Tatsächlich legen Studien nahe, dass das Urgas des Sonnensystems schon nach rund vier Millionen Jahren weitgehend verschwunden war.
Doch mit dem Verlust des Urgases verlieren die entstehenden Planeten den Rohstoff für das weitere Wachstum ihrer Gashüllen. Als Folge stoppt das Wachstum von Gasplaneten und auch terrestrische Planeten könne ihre Atmosphäre nicht mehr weiter aufstocken. Gleichzeitig erodiert der starke Sternenwind die bereits gebildeten Atmosphären um die jungen Planeten. Je nach Abstand zum Stern und ihrer Masse können sie einen Teil oder sogar ihre gesamte Gashülle wieder verlieren – sie wird ionisiert und dann ins All hinausgerissen.
Erde verlor ihre primäre Atmosphäre
‚Was aber bedeutete dies für die junge Erde? Wie die Forschenden ermittelten, müsste die junge Erde schon rund zwei Millionen Jahre nach der Entstehung der Jungsonne ihre komplette Uratmosphäre aus Wasserstoff und geringen Anteilen von Helium und Methan verloren haben. „Wenn ein erdähnlicher Planet aber massereich genug ist, kann seine Mantelkonvektion zur Bildung einer Kruste mit genügend vulkanischen und tektonischen Ausgasungen führen, sodass eine sekundäre Atmosphäre entsteht“, erklären Getman und sein Team.
Im Falle der Erde führte dies zur Bildung einer Atmosphäre aus Stickstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf. Allerdings: Wenn ein Jungplanet diese zweite Atmosphäre sehr früh bildet und er noch kein schützendes Magnetfeld hat, kann auch sie weggerissen und erodiert werden, wie die Astronomen ermittelten. Ob das auch bei der Erde der Fall war, ist unklar.
Klar scheint aber, dass das Umfeld von Vorhauptreihensternen kein sonderlich angenehmer Ort ist. Erst wenn die Fusion im Jungstern zündet und sich sein Zustand stabilisiert, kehrt auch in seiner protoplanetaren Scheibe Ruhe ein und die Planeten und ihre Atmosphären können sich ungestörter entwickeln. (Astrophysical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-4357/ac7c69)
Quelle: Chandra X-ray Center