Astronomen haben in unserer Galaxie zwei extrem ungewöhnliche Braune Zwerge entdeckt. Denn die beiden „gescheiterten Sterne“ sind extrem alt und bewegen sich ungewöhnlich schnell. Die Forscher vermuten, dass die beiden Objekte die ersten bekannten Vertreter einer ganz neuen Population von Braunen Zwergen sei könnten: Angehörigen der sogenannte dicken Scheibe und der Halo und damit der eher dünn besiedelten, uralten Außenbereiche unserer Galaxie.
Braune Zwerge gelten als „Fast-Sterne“: Sie ähneln in ihrer Zusammensetzung Sternen, aber ihre Masse ist zu gering, um in ihrem die Kernfusion in Gang zu bringen. Als Folge fehlt ihnen die Energiequelle, die Sterne zum Leuchten bringt. Sie verlieren daher im Laufe der Zeit ihre Anfangshitze und scheinen nur schwach im Infrarot. Immer häufiger entdecken Astronomen inzwischen Braune Zwerge, die nur 250 bis 600 Grad heiß sind und daher in Temperatur und Größe nur knapp über einem Gasriesen liegen. Die Grenze zwischen Sternen und Planeten verschwimmt dadurch immer mehr – umso mehr suchen Forscher nach neuen Vertretern aus dieser rätselhaften Zwischenwelt.
Zu alt und zu schnell für normale Braune Zwerge
Astronomen um David Pinfield von der University of Hertfordshire werteten für ihre Studie Daten des NASA-Weltraum-Observatoriums Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) aus. Dieser durchmustert den Himmel im Infrarotbereich. Dabei stießen die Forscher in den Sternbildern Fische und Hydra auf zwei Braune Zwerge, die in gleich mehrerer Hinsicht ungewöhnlich waren. Denn die Objekte bewegten sich im Vergleich zu den ansonsten eher langsamen bisher bekannten Braunen Zwergen sehr schnell.
Und auch ihr Spektrum erwies sich als seltsam, wie nähere Untersuchungen auch mit erdbasierten Teleskopen enthüllten: Die Spektralanalysen ergaben, dass die Atmosphäre dieser beiden gescheiterten Sterne ebenfalls von der anderer Brauner Zwerge abwich und zu einem höheren Anteil aus Wasserstoff bestand.
Angehörige der „dicken Scheibe“
Mit diesen Eigenschaften jedoch ähneln die beiden neuentdeckten Braunen Zwergen einer besonderen Sternenpopulation: den sogenannten „thick disk“- und Halo-Sternen. Diese liegen von der Seite gesehen ober- und unterhalb der dünnen Scheibe, der Ebene mit der größten Sternendichte der Milchstraße. Sie macht 65 Prozent der sichtbaren Masse der Galaxie aus, die dicke Scheibe dagegen nur fünf, die Halo sogar nur ein Prozent.
Sterne der dicken Scheibe machen nur rund drei Prozent unserer lokalen galaktischen Umgebung aus und gehören zu den ältesten stellaren Objekten der Milchstraße. Typischerweise haben diese alten Sterne zudem eine deutlich höhere Geschwindigkeit als die große Mehrheit der Objekte in der dünnen Scheibe. „Im Gegensatz zu anderen Lebensbereichen bewegen sich die ältesten Mitglieder unserer Galaxie viel schneller als die jüngere Population“, erklärt Pinfield.
Nur die Spitze eines Eisbergs
Das Spannende daran: In Alter und Geschwindigkeit stimmen die beiden neuentdeckten Braunen Zwerge perfekt mit diesen seltenen Sternen der dicken Scheibe überein. Sie könnte damit die ersten Vertreter einer ganzen Population von gescheiterten Sternen aus Halo und dicker Scheibe sein, wie die Astronomen vermuten. „Die beiden könnten nur die Spitze eines ganzen Eisbergs sein – faszinierende Vertreter der astronomischen Archäologie“, so Pinfield.
In der dünnen Scheibe der Milchstraße könnte es nach Schätzungen von Astronomen rund 70 Milliarden Braune Zwerge geben. In unserer kosmischen Nachbarschaft gehören zwar nur rund drei Prozent der Sterne zu Halo und dicker Scheibe. Wenn man aber berücksichtige, dass beide Zonen in der gesamten Milchstraße ein weit größeres Volumen einnehmen als die dünne Scheibe, könnte es in diesen Bereichen noch deutlich mehr Braune Zwerge geben, sagen die Forscher. Und diese gehörten dann zu den ältesten Objekten in unserer Galaxie.
Die Astronomen wollen nun mit WISE nach weiteren Vertretern dieser neuen Population von Braunen Zwergen suchen und so mehr Aufschluss erhalten über die frühe Geschichte dieser gescheiterten Sterne. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in press; arXiv:1308.0495)
(Royal Astronomical Society (RAS), 20.11.2013 – NPO)