Vor unserer Haustür: Astronomen haben zwei neue Supererden in nur 33 Lichtjahren Entfernung entdeckt. Die beiden Exoplaneten umkreisen einen hellen Roten Zwerg und sind nur wenig größer als die Erde. Zwar sind beide etwas zu warm für lebensfreundliche Bedingungen, der äußere der beiden Planeten könnte aber eine mit Wasserdampf gefüllte Atmosphäre besitzen. Näheres dazu könnten demnächst Beobachtungen mit dem neuen James-Webb-Weltraumteleskop enthüllen – denn für dieses sind diese beiden Supererden ein perfektes Ziel.
Ob unser nächster Nachbar Proxima Centauri, der von sieben Exoplaneten umkreiste Rote Zwerg TRAPPIST-1 oder zwei potenziell lebensfreundliche Erdzwillinge um den nur zwölf Lichtjahre entfernten Teegardens Stern: In unserer kosmischen Nachbarschaft scheint es vor Exoplaneten nur so zu wimmeln. Doch welche Bedingungen auf solchen nahen Exoplaneten herrschen und wie ihre Atmosphären beschaffen sind, ist bisher weitgehend unbekannt. Denn die Auflösung gängiger Teleskope reichte dafür nicht aus.
Das aber wird sich mit dem neuen James-Webb-Weltraumteleskop der NASA ändern. Denn seine Infrarotoptiken sind leistungsstark genug, um erstmals nähere Informationen über die Zusammensetzung von Exoplaneten-Atmosphären zu liefern. Ab Anfang Juli nimmt das Teleskop seinen wissenschaftlichen Betrieb auf.
Zwei Dellen in der Lichtkurve eines nahen Zwergsterns
Einen spannenden Neuzugang unter nahen Sternen mit Planeten hat nun ein internationales Team um Rafael Luque vom Institut für Astrophysik im spanischen Granada entdeckt. Bei der Auswertung von Daten des TESS-Weltraumtelekops (Transiting Exoplanet Survey Satellite) stießen die Astronomen auf Auffälligkeiten in der Lichtkurve des 33 Lichtjahre entfernten hellen Roten Zwergsterns HD 260655. Periodische Abschattungen des Sternenlichts deuteten darauf hin, dass dieser Stern zwei vor ihm vorüberziehende Planeten besitzen könnte.
Um auszuschließen, dass dieses regelmäßig wiederkehrende Abdimmen des Sterns durch dessen Rotation oder stellare Aktivität verursacht wurde, analysierten Luque und sein Team zusätzliche Beobachtungsdaten mehrerer erdbasierter Teleskope, die den Roten Zwerg in den vergangenen rund 20 Jahren ins Visier genommen hatten. Es zeigte sich, dass das zeitliche Muster beider Parameter nicht zur Periodizität der mit TESS beobachteten Abschattungen passte. „Wir finden keine Signale, die den Transitperioden dieser beiden potenziellen Planeten entsprechen“, schreiben die Astronomen.
Zwei warme Supererden
Das bedeutet: Der nahe Rote Zwerg wird tatsächlich von zwei Planeten umkreist. Doch um welche Art von Exoplaneten handelt es sich? Weil die Transits nur Informationen über die Größe der Planeten liefern, nicht aber über ihre Masse, zogen die Astronomen Messdaten zur Radialgeschwindigkeit des Roten Zwergs hinzu. Dabei erlaubt ein im Spektrum ablesbares „Taumeln“ des Sterns Rückschlüsse darauf, ob die Schwerkraft von Trabanten an ihm zerrt und wie schwer diese Trabanten sind.
Das Ergebnis: HD 260655 besitzt zwei Supererden. Die innere von beiden, HD 260655 b, umkreist ihren Stern sehr eng in nur 2,7 Tagen, hat die gut zweifache Masse der Erde und ist 1,2-mal so groß wie diese. „260655 b hat eine Dichte, die perfekt mit der der Erde übereinstimmt“, schreiben Luque und sein Team. Mit einer Temperatur von geschätzt 435 Grad wäre dieser Exoplanet allerdings im Hinblick auf die Bedingungen auf seiner Oberfläche nicht sehr erdähnlich und zu heiß für Leben.
Der zweite Exoplanet, HD 260655 c, umkreist den Zwergstern etwas weiter außen mit einer Umlaufzeit von 5,7 Tagen. Damit ist er seinem Stern noch immer zu nahe für die habitable Zone: Seine Oberflächentemperatur liegt vermutlich bei 284 Grad, wie die Astronomen berichten. Dieser Planet ist rund 1,5-mal so groß wie die Erde und hat die dreifache Erdmasse. Auch HD 260655 c ist demnach wahrscheinlich eine Supererde.
Rätsel um die Dichte von HD 260655 c
Ungewöhnlich jedoch: Die äußere der beiden Supererden hat eine deutlich geringere Dichte als ein klassischer terrestrischer Planet mit einem Eisenkern und Gesteinsmantel. Nach Angaben von Luque und seinem Team gibt es hierfür zwei mögliche Erklärungen: HD 260655 c könnte ein Gesteinsplanet ohne Eisenkern sein, was allerdings nicht gut zu gängigen Planetenbildungsmodellen passt. Oder aber der Exoplanet erscheint im Verhältnis zu seiner Masse größer, weil er eine mit Wasserdampf gefüllte Atmosphäre besitzt.
„Würde man für HD 260655 c eine erdähnliche Zusammensetzung annehmen, dann könnte ein Wasseranteil von nur ein Prozent die Unterschiede in der Dichte erklären“, so das Team. Woher dieses Wasser kommt, ist angesichts der großen Nähe selbst dieses äußeren Planeten zu seinem Stern noch offen. Theoretisch könnte er weiter außen in der Akkretionsscheibe seines Sterns entstanden und dann erst nachträglich nach innen gewandert sein. Denkbar wäre aber auch, dass er das das Wasser in Form von Eis durch Einschläge kometenähnlicher Brocken in der Frühzeit dieses Systems erhielt.
Ziele für das James-Webb-Teleskop
Welches Szenario stimmt und ob die Supererde HD 260655 c tatsächlich eine Wasserdampf-Atmosphäre besitzt, könnte demnächst das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA klären. Denn eine der Hauptaufgaben des Teleskops ist es, die Atmosphäre von Exoplaneten mithilfe seiner hochauflösenden Infrarotspektroskope ins Visier zu nehmen. Die beiden Planeten um den Roten Zwerg HD 260655 sind wegen ihrer Nähe und der gut beobachtbaren Transits nun eines der vielversprechendsten und spannendsten Ziele für das Teleskop.
„Die von uns neu entdeckten Planeten sind aufgrund der relativ hohen scheinbaren Helligkeit des Wirtssterns hervorragende Ziele für weitere atmosphärische Studien“, erklärt Koautor Karan Molaverdikhani von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Diese Untersuchungen könnten es den Astronomen ermöglichen, nähere Informationen über die Zusammensetzung und Struktur der Atmosphären beider Planeten um HD 260655 zu gewinnen und darüber auch wertvolle Einblicke in die Faktoren, die die Entwicklung erdähnlicher Planeten allgemein prägen. (Astronomy & Astrophysics, accepted; doi: 10.48550/arXiv.2204.10261)
Quelle: NASA, Exzellenzcluster Origins