Astronomen haben erstmals einen Blick in das Innenleben eines Asteroiden geworfen – und dabei Überraschendes entdeckt. Denn der Asteroid Itokawa ist zweigeteilt. Ein Teil des erdnussförmigen Brockens ist sehr dicht, der andere dagegen mit dicht gepacktem Sand vergleichbar. Möglicherweise ist dies ein Hinweis auf den katastrophalen Ursprung von Itokawa: Er könnte durch eine Kollision zweier Gesteinsbrocken entstanden sein.
Nur wenige Kleinplaneten in unserem Sonnensystem sind so gut erforscht wie Itokawa. Nicht nur, weil der nur knapp 600 Meter lange Asteroid etwa alle 556 Tage in die Erdumlaufbahn vordringt und damit zu den erdnahen Objekten zählt. Itokawa war im Jahr 2005 auch das Ziel der japanischen Raumsonde Hayabusa. Die Sonde konnte ihr Forschungsobjekt genau vermessen und sogar Material von dessen Oberfläche zurück zur Erde bringen.
Was unter dieser Oberfläche verborgen ist, blieb jedoch – wie bei allen anderen Asteroiden auch – nahezu unbekannt. In der Vergangenheit ließen sich bestenfalls durchschnittliche Dichten bestimmen. Vereinfachend nahm man daher an, dass Asteroiden in ihrem Inneren relativ einheitlich aufgebaut sind. Doch neue Beobachtungen widerlegen jetzt diese Vorstellung. „Zum ersten Mal ist uns gelungen herauszufinden, was sich im Inneren eines Asteroiden befindet“, erklärt Erstautor Stephen Lowry von der University of Kent. Dies gelang indirekt, über die Rotation und das Drehmoment des Asteroiden.
Zusatzschub durch Sonnenstrahlung
Die Forscher werteten dafür Beobachtungsdaten von acht Teleskopen aus den USA, aus Spanien und von der Europäischen Südsternwarte in Chile aus. Diese hatten den Asteroiden Itokawa zwischen 2001 bis 2013 regelmäßig beobachtet. Aus Helligkeitsänderungen seiner Oberfläche lässt sich ermitteln, wie schnell der Asteroid rotiert. Dabei aber stießen die Astronomen auf eine kleine Abweichung: Der erdnussförmige Brocken dreht sich im Laufe der Zeit immer schneller – er spart pro Jahr 45 Millisekunden ein.
Was aber ist der Grund dafür? Lowry und seine Kollegen hatten bereits einen Verdacht: Bei kleinen und unregelmäßig geformten Asteroiden kann das Sonnenlicht ihre Rotation verändern. Die Oberfläche absorbiert die Strahlung und gibt diese als Wärmestrahlung wieder ab, wegen der unregelmäßigen Oberfläche geschieht dies jedoch nicht gleichmäßig. Durch diesen sogenannten Yarkovsky-O’Keefe-Radzievskii-Paddack-Effekt (YORP-Effekt) entsteht ein winziges Drehmoment – die Rotation des Asteroiden erhält entweder einen leichten zusätzlichen Schub oder sie wird abgebremst. Im Fall von Itokawa sorgt dieses Drehmoment dafür, dass sich der Asteroid immer ein wenig schneller dreht.
Wie Granit und Sand
Allerdings: Die Erdnuss-Form und die bisher angenommene Durchschnittsdichte des Asteroiden passen nicht zum gemessenen YORP-Effekt. Die Astronomen schließen daraus, dass Itokawa ein alles andere als einheitliches Innenleben besitzen muss. „Itokawa scheint aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen zu bestehen“, erklärt Koautor Colin Snodgrass vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.
Der eine Teil, der in etwa mit dem kleineren Knubbel des erdnussförmigen, länglichen Körpers zusammenfällt, hat eine Dichte von rund 2.850 Kilogramm pro Kubikmeter. Dies entspricht in etwa der Dichte von Granit. Der andere, größere Teil, ist ganz anders: Seine Dichte lässt sich mit 1.750 Kilogramm pro Kubikmeter mit der von dicht gepacktem Sand vergleichen.
Aus zwei Ursprungskörpern verschmolzen?
Wie Itokawa zu dieser differenzierten inneren Struktur kam, ist noch unklar. Die Forscher vermuten, dass der längliche Körper aus dem Zusammenstoß zweier kleinerer entstand. So könnte Itokawa etwa aus einem System aus zwei Asteroiden hervorgegangen sein, die ursprünglich um einander kreisten und dann kollidierten.
Die Erkenntnis, dass Asteroiden auch sehr uneinheitlich aufgebaut sein können, ist wichtig, um ihre Eigenschaften und ihr Verhalten besser einschätzen zu können. Gerade erdnahe Asteroiden stellen eine potenzielle Gefahr für die Erde dar. Zu wissen, wie sie aufgebaut sind, könnte dabei helfen, genauer vorherzusagen, wohin sie fliegen und wie sie sich beispielsweise gegenüber Abwehrmaßnahmen verhalten. „Dieser Fund ist ein bedeutender Schritt nach vorne für unser Verständnis von Gesteinskörpern im Sonnensystem“, konstatiert Lowry. (Astronomy & Astrophysics, in press)
(ESO, 06.02.2014 – NPO)