Eine „Pyramide“, Handrutschungen und Gebirgsketten: Der auf den ersten Blick eher langweilige Kleinplanet Ceres wird immer spannender. Denn neue Aufnahmen der NASA-Raumsonde Dawn zeigen Strukturen und geologische Phänomene, die die Planetenforscher rätseln lässt. So ist beispielsweise die Ursache für den auffallend weißen Fleck auf Ceres noch immer unbekannt und auch woher die hellen Streifen entlang eines pyramidenförmigen Bergs stammen.
Mittlerweile blickt die Raumsonde Dawn aus nur noch 1.470 Kilometern Entfernung auf die Oberfläche von Ceres hinunter. Jeweils elf Tage benötigt sie, um die gesamte Oberfläche des Zwergplaneten zu erfassen und die Aufnahmen zur Erde zu senden. Drei Mal näher als im vorherigen Orbit und mit einer Auflösung von 140 Metern pro Bildpunkt nimmt die Kamera inzwischen immer mehr Details auf. Je dichter die Dawn-Sonde über dem Zwergplaneten fliegt, desto rätselhafter scheint der Himmelskörper.
So zeigen die ersten Bilder aus dem High Altitude Mapping Orbit eine „Pyramide“ mit ungewöhnlichen Hangrutschungen, instabile Kraterwände und Gebirgsketten. „Einiges, was wir sehen, haben wir so noch nirgendwo sonst im Sonnensystem entdeckt“, sagt Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Außer auf der Erde – da gibt es ja fast alles.“ Über vieles könne man derzeit nur spekulieren, so der Forscher.
Pyramide mit hellen Streifen
„Wir blicken unter anderem von oben auf einen pyramidenförmigen, sechs Kilometer hohen Berg, der auf einer Seite helle Streifen zeigt“, berichtet Jaumann. Etwa zehn bis zwölf Kilometer beträgt der Durchmesser dieser „Pyramide“, die auf der südlichen Hemisphäre zwischen den Kratern Kirnis, Rongo und Yalode steht.
„Der Berg muss bei seiner beträchtlichen Höhe also immens steile Hänge haben.“ Dennoch liegt am Berg-Fuß kaum Geröll. In direkter Nachbarschaft liegt ein Einschlagskrater, der bis an die Flanken des Berges reicht. „Vermutlich ist der Berg jünger als der Krater, aber um das genau festzustellen, müssen wir auf die Aufnahmen aus dem nächstniedrigeren Orbit warten und auf Daten des Spektrometers, das das Material der Oberfläche bestimmen soll.“
Instabile Kraterränder mit Rissen
Aufnahmen des Gaue-Kraters, benannt nach einer deutschen Göttin, zeigen, dass dieser zum Teil über einem kleineren und älteren Krater liegt. „Der Gaue-Krater hat an einer seiner Seiten viele Materialrutschungen zum Kraterinneren hin – die Wände sind also eher instabil“, deutet Jaumann die Aufnahmen. „Und in der Mitte gab es wahrscheinlich auch Veränderungen, denn diese scheint sehr eben zu sein.“ Eine mögliche Erklärung für die ebene Fläche im Kraterinneren: Ehemals geschmolzenes Material könnte den Krater gefüllt haben.
Auch die Detailaufnahme aus dem Inneren des Uvara-Kraters zeigen Strukturen, die Fragen aufwerfen. Neben einer Bergkette sind feine Risse zu sehen, aber auch erneut Rutschungen am Kraterrand. „Dort scheint das Material in großen Blöcken abgebrochen und in Richtung Kraterinneres gerutscht zu sein“, berichtet Jaumann. Die ungewöhnlich glatte Ebene hat sich wohlmöglich durch die Ablagerung von feinem Material, das vermutlich einmal geschmolzen war, gebildet. „Dies sind natürlich nur erste Vermutungen, über die wir im Missionsteam diskutieren werden“, sagt der DLR-Wissenschaftler.
Ceres in 3D
Zurzeit arbeiten die Forscher des DLR-Instituts für Planetenforschung an einem dreidimensionalen Geländemodell des Zwergplaneten, das mit den Bilddaten aus dem vorhergehenden Beobachtungsorbit aus 4.400 Kilometern Entfernung erstellt wird. „Mit den Bildern aus dem aktuellen Orbit verfeinern wir dann dieses 3D-Modell – das heißt, wir vermessen unter anderem wie hoch und wie groß die unterschiedlichen Strukturen auf dem Zwergplaneten Ceres sind.“ Dann steht die Lösung etlicher Rätsel an, sagt Planetenforscher Jaumann: „Wir wollen unter anderem gerne herausfinden, warum die Ebenen so flach sind oder auch wie sich die Pyramide gebildet hat.“
Seit März 2015 umkreist die Raumsonde Dawn in immer geringerem Abstand den Zwergplaneten Ceres. Ende Oktober bis Ende Januar 2016 wird sie dann ihren letzten und niedrigsten Orbit absolvieren, in dem sie dann in 375 Kilometern Höhe um den Himmelskörper kreist. Während des Absinkens setzt die die Raumsonde ihre Ionentriebwerke ein, für die Kamera bedeutet dies eine zweimonatige Arbeitspause. Nach dem Ende der Mission wird Dawn dann stabil in diesem Orbit weiterhin um Ceres kreisen – in sicherem Abstand, so dass der Zwergplanet nicht durch irdische Mikroben verunreinigt werden kann.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 26.08.2015 – NPO)