25 Jahre ist es her, dass der erste Fall von Aids diagnostiziert wurde und noch immer gibt es keine Heilung und keine Impfung gegen das Virus. Jetzt haben Wissenschaftler jedoch erstmals hochauflösende dreidimensionale Bilder der Virusoberfläche erstellt, die die Impfstoffforschung einen großen Schritt nach vorne bringen könnte. Denn sie zeigen deutlich die Art und Lage der Oberflächenproteine des Erregers, wie die Forscher in „Nature“ berichten.
Die viralen „Spikes“, die vorspringenden HIV-1-Proteine an der Oberfläche des Erregers, bilden das „Hauptwerkzeug“, mit dem das Aidsvirus sich an seine Wirtszellen bindet und in sie eindringt. Sie stellen gleichzeitig den Hauptansatzpunkt der Impfstoffforscher dar, ihre komplexe Anordnung war jedoch bisher nur unzureichend bekannt. „Trotz intensiver Studien durch viele Laboratorien, waren die Strukturdetails der Spikes und ihre Verteilung auf der Oberfläche der Virenmembran nur in Teilen verstanden“, erklärt Roux. „Und das hat uns daran gehindert, den Infektionsmechanismus wirklich zu verstehen und auch die Versuche gehemmt, Impfstoffe herzustellen.“
Ein Forscherteam der Florida State Universität um Kenneth H. Roux, Professor für strukturelle Biologie, hat nun mit Hilfe der so genannten Cryoelektronen Mikroskopie-Tomographie erstmals diese so entscheidenden Oberflächenproteine dreidimensional abgebildet. Für das Verfahren wurden Virenproben sowohl des HI-Virus als auch des Affenvirus SIV auf einen dünnen Flüssigfilm über einem Kupfergitter aufgebracht und schockgefroren. Im Gegensatz zu den üblichen Trocknungs- und Färbemethoden treten bei dieser Art der Probenbereitung keine Verzerrungen der Strukturen auf. Im Elektronenmikroskop bombardierten Elektronen die Proben aus unterschiedlichsten Richtungen und vergrößerten ihre Strukturen um mehr als 43.000 Mal.
Den Wissenschaftlern gelang es auf diese Weise, auf die Virenmembran zu fokussieren und die daraus hervor ragenden Proteine zu erfassen. Die resultierenden Aufnahmen zeigen erstmals hochaufgelöst sowohl die Strukturen der „Köpfe“ der Spikes als auch deren Stiel. Die Köpfe sind für die Bindung des Virus an Rezeptoren auf der Wirtszelle verantwortlich, der Stiel der Vorsprünge dagegen spielt eine entscheidende Rolle für die Fusion des Virus mit der Membran von T-Lymphozyten und Makrophagen, den Hauptwirtszellen des Virus, und die Injektion der Virengenoms.
Die größte Überraschung ergab sich beim Abbilden des Stiels: Denn die Stiele hatten Beine. „Forscher dachten immer, das der Spike-Stiel aus einer engen Verbindung von drei zusammenhängenden Stäben besteht, mit dem Kopf an der Spitze“, so Roux. „Aber unsere Bilder zeigen eindeutig, dass der Stiel in drei getrennte Beine gespalten ist, mehr wie ein Dreibein, was den Kontakt zur Virenmembran verstärkt. Das suggeriert einen neuen Mechanismus, mit dem HIV-1 so effektiv an unsere Zellen binden kann. Diese essenzielle Erkenntnis könnte uns helfen, bessere Waffen gegen das Virus zu entwickeln.“
„Antikörper, die sich effektiv an einen dieser Spike-Teile binden könnte das Virus neutralisieren und so eine Infektion verhindern“, so der Forscher. Tatsächlich arbeiten bereits jetzt mindestens zwei Laboratorien daran, auf der Basis der vorläufigen Ergebnisse der Forscher neue Impfstoffkandidaten zu entwickeln.
(Florida State University, 29.05.2006 – NPO)