Die während der Corona-Pandemie verhängten Lockdowns haben die Luftverschmutzung mit Stickoxiden, Feinstaub und Ozon vorübergehend verringert. Weltweit könnten dadurch rund 90.000 Menschen weniger gestorben sein, wie Forscher ermittelt haben. Vor allem in China hat die sauberere Luft in den Ballungsräumen vorübergehend die emissionsbedingte Mortalität gesenkt.
Die Belastung der Luft mit Stickoxiden, Feinstaub und bodennahem Ozon schadet den Atemwegen, der Lunge und dem Herz-Kreislaufsystem. Studien legen nahe, dass die erhöhten Stickoxidwerte allein in Deutschland für rund 6.000 Herz-Kreislauf-Todesfälle verantwortlich sein könnten. Zusammen mit Feinstaub und Ozon könnte weltweit bis zu acht Millionen Menschen auf das Konto der Luftverschmutzung gehen. Die meisten Gesundheitsschäden richtet die Luftverschmutzung dabei langfristig an, allerdings kann bei vorerkrankten Menschen auch eine kurzfristige Erhöhung der Werte Schaden anrichten.
Welchen Effekt hatten die Lockdowns?
Das weckt die Frage, ob auch eine vorübergehende Senkung der Schadstoffbelastung schon einen gesundheitlichen Effekt zeigt. Einen nahezu weltweiten Test zu dieser Frage haben im Frühjahr 2020 die Lockdowns ermöglicht, durch die die Verbreitung des Coronavirus SARS CoV-2 eingeschränkt werden sollte. Messungen belegen, dass die Emissionen von Kohlendioxid, aber auch Stickoxiden, bodennahem Ozon und Feinstaub durch die verringerten Aktivitäten in Industrie, Verkehr und Handel vielerorts absanken.
Deshalb haben Guillaume Chossière vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen untersucht, welche Folgen diese vorübergehenden und in der jüngeren Geschichte einzigartigen Rückgänge der Luftverschmutzung für die menschliche Gesundheit gehabt haben könnten. Dafür werteten sie Messdaten zu Stickoxiden, Feinstaub und Ozon von Bodenstationen und Satelliten aus und nutzten epidemiologische Modelle der Umweltmedizin, um auszurechnen, welchen Effekt die Ergebnisse auf die Mortalität durch Luftverschmutzung gehabt haben könnte.
Verbesserung der Luftqualität vor allem in China
Das Ergebnis: In 213 der 252 untersuchten Regionen und Länder sanken die Stickoxidwerte während der Lockdowns im ersten Halbjahr 2020 deutlich ab. Am stärksten war der Effekt in China mit im Schnitt 53 Prozent Reduktion, gefolgt von Südkorea mit minus 25 Prozent und Europa mit minus 24 Prozent, wie die Forscher berichten. In Ländern mit weniger strikten Lockdowns wie den USA sanken die Stickoxidwerte dagegen nur um rund 4,5 Prozent.
Die Feinstaubwerte für Partikel bis 2,5 Mikrometer (PM2.5) sanken dagegen weniger einheitlich und deutlich. Zwar gab es in 163 von 252 Regionen Abnahmen der Belastung. Während die Feinstaubwerte in China aber um 36 Prozent zurückgingen, gab es in Europa nur in sieben von 106 Regionen signifikante Veränderungen. Das bodennahe Ozon sank nur in 45 Regionen weltweit um ein signifikantes Maß.
Aber immerhin: Insgesamt zeigten 140 der 252 Regionen – entsprechend 65 Prozent der Weltbevölkerung – Abnahmen von Feinstaub und Stickoxiden während des Lockdown. In 123 Regionen sanken Stickoxide und Ozon, wie Chossière und sein Team berichten.
32.000 weniger Stickoxidtote, 61.000 weniger Feinstaubtote
Was aber bedeutete dies für die Gesundheit der Menschen in diesen Regionen? Wie die Forscher ermittelten, wären ohne die Lockdowns und die damit verknüpfte Verbesserung der Luftqualität rund 32.000 Menschen mehr weltweit allein durch die Stickoxidbelastung gestorben. Die zumindest in einigen Ballungsräumen verringerte Feinstaubbelastung könnte sogar rund 61.000 Todesfälle weltweit verhindert haben. Die meisten dieser Menschen wären sonst Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Opfer gefallen, rund ein Viertel Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD.
Ein Großteil dieses Effekts ist auf die normalerweise extrem unter Luftverschmutzung leidenden Ballungsräume in Asien zurückzuführen. „China macht rund 79 Prozent der geschätzten Verringerung der vorzeitigen Todesfälle aus“, erklären die Wissenschaftler. „Dort gab es eine Verringerung von 65 Prozent bei den durch Stickoxide verursachten Todesfällen und von 85 Prozent bei den Feinstaubtoten.“
Kein Vergleich zu Covid-Toten oder Luftverschmutzungsopfern insgesamt
Allerdings: Verglichen mit den Todesopfern der Corona-Pandemie und auch mit den Todesfällen, die normalerweise in den verschiedenen Regionen weltweit durch die Luftverschmutzung auftreten, sind diese vorübergehenden Reduktionen gering, wie auch Chossière und sein Team betonen. „Die kurzfristigen positiven Nebeneffekte der Lockdowns auf die Mortalität durch eine verringerte Luftverschmutzung entsprechen weniger als zehn Prozent der Todesopfer, die insgesamt in diesen Regionen durch schlechte Luft anfallen“, sagen sie.
Nach Ansicht der Forscher zeigen diese Ergebnisse aber auf, wie viel Verbesserungsbedarf es vielerorts noch bei der Luftqualität gibt. „Die Covid-19-bedingten Lockdowns demonstrieren die Notwendigkeit für gezielte Luftschutzmaßnahmen, um die globale Belastung durch Luftschadstoffe zu verringern“, so Chossière und seine Kollegen. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abe1178)
Quelle: Science Advances