Männern sieht man Ärger an – Frauen weniger. Wissenschaftler haben festgestellt, dass wir bestimmte Gesichtsausdrücke je nach Geschlecht unterschiedlich gut erkennen. Am Arbeitsplatz spielt auch eine große Rolle, ob wir es mit Vorgesetzten oder Untergebenen zu tun haben: Emotionen von Vorgesetzten durchschauen wir leichter. Für die Kommunikation in Gruppen und auch den Erfolg eines Unternehmens ist dieses Ergebnis äußerst wichtig.
Unser Gesicht gehört zu den wichtigsten Elementen der Körpersprache: Lächeln, Naserümpfen, Schmollen, Stirnrunzeln und eine Vielzahl weiterer Gesichtsausdrücke entstehen durch das Zusammenspiel von 26 verschiedenen Muskeln. Manche dieser Muskeln haben keinen anderen Zweck, als das Gesicht einer bestimmten Gefühlslage entsprechend zu verziehen.
Steuerungsinstrument im Umgang mit Mitmenschen
„Unser Gesicht drückt nicht nur Emotionen aus, sondern ist auch ein wichtiges Steuerungsinstrument für den Umgang mit Mitmenschen„, erklärt Marc Méhu von der Webster Vienna Private University. Der Gesichtsausdruck beeinflusse beispielsweise am Arbeitsplatz auch das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, „und wirkt sich so auf Jobzufriedenheit, Arbeitseinsatz, Krankenstand und Burnout-Gefährdung aus.“
Vorgesetzte setzen je nach Führungsstil unterschiedliche Gesichtsausdrücke ein. Wie wir solche Führungssignale wahrnehmen, hängt dabei durchaus von der beruflichen Position und dem Geschlecht ab – sowohl beim Sender als auch beim Empfänger dieser Signale. Dieses komplexe Beziehungsgeflecht ist jedoch bislang kaum untersucht.
Stimmung von Vorgesetzten ist leichter erkennbar
Méhu und seine Kollegen überprüften darum systematisch, wie gut Versuchsteilnehmer die bildlich dargestellten Emotionen Überraschung, Glücklichsein, Traurigkeit, Angst, Ärger, Missfallen zuordnen konnten. In verschiedenen nachgestellten Situationen untersuchten sie dabei den Einfluss von Geschlecht und Hierarchiestatus auf die Wahrnehmung dieser Gesichtsausdrücke.
Die vielschichtigen Ergebnisse der Studie sind überraschend. Die eigene Position in der Betriebshierarchie hat einen großen Einfluss: Die Gesichtsausdrücke von Vorgesetzten erkennen und interpretieren wir tendenziell besser als die von Untergebenen. Außerdem gibt es ausgeprägte Geschlechtsunterschiede: Der Ausdruck für „Ärger“ ist bei männlichen Vorgesetzten eindeutiger erkennbar als bei Frauen.
Ärger ist ein bedeutendes Mittel für Männer
Die Forscher haben eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied: „Hierarchien und Wettbewerb sind für Männer wichtige Dimensionen ihrer sozialen Interaktion“, erklärt Méhu. „Der Ausdruck von Ärger ist dabei ein bedeutendes Mittel.“ Frauen konzentrierten sich dagegen in ihren sozialen Interaktionen mehr auf ein stabiles soziales Umfeld. „Ärger zum Ausdruck zu bringen, trägt wenig dazu bei.“
Dabei spielt den Wissenschaftlern zufolge auch unsere Erwartungshaltung aufgrund vorheriger Erfahrungen eine große Rolle: „Wir erwarten den Ausdruck von Ärger ganz einfach eher von einem männlichen als von einer weiblichen Vorgesetzten – und interpretieren deren Gesichtsausdrücke entsprechend,“ sagt Méhu. Andererseits erkennen wir den Ausdruck „Traurigkeit“, ein Signal für Empathie und Sorge, bei Frauen besser – und zwar ganz unabhängig vom beruflichen Status.
Frauen zeigen Missfallen deutlicher
Während die Gesichtsausdrücke von Vorgesetzten zwar leichter interpretieren lassen, sind bei Untergebenen die Geschlechtsunterschiede noch stärker ausgeprägt: „Angst“ interpretierten die Studienteilnehmer bei männlichen Untergebenen eindeutiger. „Missfallen“ hingegen war bei weiblichen Untergebenen klarer erkennbar.
Die Studie zeigt, wie unterschiedlich gut Gesichtsausdrücke und damit verbundene Emotionen je nach Geschlecht und beruflichem Status erkannt werden. Für die Kommunikation in einer Gruppe, aber auch in einem Unternehmen ist das äußerst bedeutend: „Unternehmen können nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn Konkurrenzdenken zwischen Kollegen durch positive und konstruktive Zusammenarbeit ersetzt wird“, so Méhu. „Das richtige Interpretieren von Emotionen ist dabei wesentlich.“ (International Public Management Journal, 2015; doi: 10.1080/10967494.2014.996626)
(Webster Vienna Private University, 09.07.2015 – AKR)