Medizin

Ahornsirup verstärkt Antibiotika-Wirkung

Extrakt macht Bakterien anfälliger für die Medikamente

Ahornsirup: Süßer Saft mit offenbar durchschlagender Wirkung. © Showcake/ iStock.com

Effektiver im Doppelpack: Bestimmte Bestandteile im Ahornsirup können offenbar die Wirkung von Antibiotika verbessern. Ein Laborexperiment zeigt: Bakterien lassen sich dank des Pflanzenextrakts mit einer deutlich geringeren Medikamentendosis eindämmen als normalerweise dafür nötig ist. Künftig könnte die Substanz daher womöglich den massenhaften Einsatz von Antibiotika minimieren und Resistenzen entgegenwirken, so die Hoffnung.

Lange galten Antibiotika als die schärfste Waffe der Medizin gegen bakterielle Erreger. Doch inzwischen ist diese Waffe stumpf geworden. Durch den unkontrollierten und massenhaften Einsatz der Mittel entwickeln weltweit immer mehr Keime Resistenzen – auch bei uns in Europa. Viele Bakterien, darunter der Krankenhauskeim MRSA oder die ESBL-Bakterien, sind sogar schon gegen mehrere Wirkstoffklassen immun.

Angesichts dieser Entwicklung hat die Weltgesundheitsorganisation erst kürzlich Alarm geschlagen und zur Erforschung neuer Alternativen aufgerufen. Nun sind Wissenschaftler um Nathalie Tufenkji von der McGill University in Montreal auf eine Substanz gestoßen, die die etablierten Antibiotika zwar nicht vollständig ersetzen – ihren Einsatz aber womöglich drastisch minimieren könnte.

Vom Frühstückstisch ins Labor

Fündig wurden die Forscher bei einem Lebensmittel, das bei vielen Kanadiern täglich auf dem Frühstückstisch steht: Ahornsirup. „Die indigenen Völker in Kanada nutzen den Sirup seit jeher, um Infektionen zu bekämpfen“, sagt Tufenkji. „Mich hat schon immer die Wissenschaft hinter dieser Volksmedizin interessiert.“

Für die Untersuchung des antimikrobiellen Potenzials des Saftes trennte das Team zunächst den Zucker und das Wasser von den im Sirup enthaltenen Phenolverbindungen. Diese verleihen dem Ahornsirup seinen goldenen Farbton und sind jene Bestandteile, von denen sich die Wissenschaftler eine Wirkung erhofften. Als sie das Extrakt an unterschiedlichen Bakterienstämmen testeten, blieb ein Effekt jedoch aus.

Auch beim E. coli-Keim bewies sich die Mischung als äußerst effektiv. © Eric Erbe/ gemeinfrei

Synergetischer Effekt

Deshalb probierten Tufenkji und ihre Kollegen einen neuen Ansatz aus: Könnte es sein, dass die Substanz die Wirkung von Antibiotika zumindest verstärkt? Um das herauszufinden, mischten die Forscher das Phenol-Extrakt mit den zwei bewährten Mitteln Ciprofloxacin und Carbenicillin. Diese Antibiotikum-Sirup-Mixturen testeten sie dann ebenfalls an unterschiedlichen Bakterienstämmen – darunter der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli und der häufige Verursacher von Harnwegsinfektionen Proteus mirabilis.

Tatsächlich zeigte sich, dass es offenbar zu einem synergetischen Effekt kam: Das Extrakt kurbelte die Wirkung beider Antibiotika deutlich an, wie die Forscher berichten. Dadurch konnte das Bakterienwachstum mit einer 90 bis mitunter sogar 97 Prozent geringeren Medikamentendosis gestoppt werden als normalerweise nötig ist. Experimente mit Fruchtfliegen und Mottenlarven bestätigten diese Beobachtung: Mit krankmachenden Bakterien infizierte Insekten überlebten mehrere Tage länger, wenn sie nicht nur mit Antibiotika behandelt wurden, sondern ihr Futter zusätzlich mit Ahornsirup getränkt war.

Hilfe an der Zellwand

Warum aber hat der Ahornsirup diese durchschlagende Wirkung? Das Geheimnis ist seine Wirkung auf die Zellwand der Bakterien, wie Experimente offenbarten. Demnach verändern die Phenolverbindungen die Durchlässigkeit dieser schützenden Hülle. Als Folge kann ein Antibiotikum wahrscheinlich besser ins Innere der Krankheitserreger vordringen und sie besser zerstören. Darüber hinaus hemmen einige Komponenten womöglich bestimmte Mechanismen, die Eindringlinge normalerweise wieder aus der Bakterienzelle hinausschleusen sollen.

Tufenkji und ihre Kollegen hoffen, dass das Extrakt aus dem Ahornsirup künftig den Einsatz von Antibiotika deutlich minimieren kann – und auf diese Weise auch das Risiko für Resistenzen sowie mögliche Nebenwirkungen bei den behandelten Patienten reduziert. Aktuell testen die Forscher die Substanz bereits an Mäusen. Bis das Extrakt ausreichend erprobt und für Patienten zugänglich ist, wird es allerdings wohl noch mehrere Jahre dauern. (American Chemical Society 253rd National Meeting, 2017)

(American Chemical Society, 03.04.2017 – DAL)

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