Ist eine Zelle mit einem HI-Virus infiziert, verhindert das Virus, dass die einmal infizierte Zelle von weiteren Erregern befallen wird – aber wie? Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg habe dazu jetzt neue Erkentnnisse gewonnen. Demnach spielt ein bestimmtes Virenprotein hier eine entscheidende Rolle.
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Obwohl weltweit an breiter Wissenschaftlerfront geforscht wird: Es gibt bisher kein Medikament, das die tödliche Immunschwächekrankheit AIDS heilen und keinen Wirk- oder Impfstoff, der vor einer Infektion durch HI-Viren schützen kann. Um neue therapeutische Strategien entwickeln zu können, müssen die Forscher zuerst verstehen, wie das Virus menschliche Zellen infiziert, sich in den befallenen Zellen und im Körper vermehrt und schließlich AIDS auslöst. Bisher bekannt ist: Einmal in eine Zelle eingedrungen, verhindern HI- Viren eine so genannte Superinfektion dieser Zelle, das heißt es können keine weiteren Viren die Zelle befallen.
Jetzt konnten zwei Forschergruppen der Abteilung für Virologie des Universitätsklinikums Heidelberg unter der Federführung von Dr. Nico Michel, Dr. Oliver Keppler und Dr. Oliver Fackler zeigen, dass das HIV- Protein Nef eine Superinfektion mittels zweier unterschiedlicher Mechanismen effektiv verhindert. Die erfolgreiche Arbeit wurde jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.
Ungestörte und schnelle Virus- Ausbreitung möglich
Viele verschiedene Viren verhindern eine Superinfektion der befallenen Zelle, um sich ungestört in ihr vermehren zu können: Sie nutzen die Zellmaschinerie aus, um das Virus-Erbgut zu vervielfachen, neue Viren „zu bauen“ und diese aus der Zelle auszuschleusen. Zusätzliche Virus- Eindringlinge würden diese Vorgänge stören.
Ein weiterer Pluspunkt dieser „Zutritt verboten-Strategie“: Die Viren können sich wahrscheinlich schneller im Körper des betroffenen Menschen ausbreiten, da jedes Virus sich eine neue Zielzelle sucht und somit nicht an bereits infizierte Zellen „verschwendet“ werden.
Virus-Protein lässt Aufnahme-Rezeptoren verschwinden
„Das virale Nef-Protein ist ein Schlüsselmolekül für HIV. Nef ist entscheidend für die Fähigkeit des Virus, sich im Körper auszubreiten und die Immunschwächekrankheit AIDS auszulösen“, erklärt Dr. Keppler.
Das Virus dockt an passenden Oberflächenstrukturen, so genannte Aufnahme-Rezeptoren, auf der Zielzelle an, und dringt über diese in die Zelle ein.
HIV benötigt hierfür sowohl den Bindungs-Rezeptor CD4 als auch einen zweiten, so genannten Ko-Rezeptor. Bekannt war, dass Nef in infizierten Zellen den CD4-Rezeptor von der Zelloberfläche entfernt. Es wurde vermutet, dass hierüber die Superinfektion durch weitere Viren verhindert und somit die Voraussetzung für eine ungestörte Virusvermehrung geschaffen wird.
„Wir konnten zeigen, dass durch Nef jedoch beide Rezeptoren, also CD4 und der Ko-Rezeptor, von der Zelloberfläche ins Innere der befallenen Zelle abtransportiert und dort abgebaut werden“ fasst Dr. Fackler die Ergebnisse der Arbeit zusammen. „Nef dirigiert zwei verschiedene Transportmaschinerien der Zelle, um dies zu erreichen. Nur so ist die infizierte Zelle vor einer Superinfektion optimal geschützt. Wahrscheinlich erleichtert Nef so die Ausbreitung von HIV im Körper.“
Entdeckung durch Zufall
Die Erstbeobachtung gelang den Heidelberger Forschern eher durch einen Zufall. „Das Dogma zur Hemmung der Superinfektion lautete bis dahin: Nef lässt nur den Bindungs-Rezeptor CD4 von der Zelloberfläche verschwinden“, erinnert sich Dr. Keppler. „Wir wollten den Ko-Rezeptor eigentlich nur als so genannte Negativ-Probe verwenden, das heißt wir erwarteten, dass er während unserer Versuche mit Nef auf der Zelloberfläche erhalten bleibt. Das Gegenteil war der Fall.“
Seit mehr als zehn Jahren ist HIV-Nef als Schlüsselmolekül des Krankheitsprozesses bekannt und ist ein potentieller Ansatzpunkt für eine HIV-Therapie. Die Heidelberger Erkenntnisse unterstreichen die wichtige Rolle, die das Nef-Protein bei der HIV-Infektion und der Entwicklung von AIDS im menschlichen Körper spielt.
(Universitätsklinikum Heidelberg, 11.05.2005 – NPO)