Ein verändertes Aids-Virus hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern für die Genübertragung in Netzhautzellen von Mäusen verwendet. Damit gelang es den Forschern erstmals eine erbliche Augenerkrankung durch Gentherapie zu behandeln – wenn auch nur im Tierversuch. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Medicine berichten, ist ein Einsatz ihrer Methode beim Menschen schon in zwei bis drei Jahren möglich.
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In ihrer Studie suchten die Wissenschaftler nach einem viralen Vektor, der Gene zu therapeutischen Zwecken in die Netzhaut einer Maus einbringen konnte, ohne Mutationen auszulösen. Das Therapiegen sollte – über möglichst lange Zeit – für die defekte, zelleigene Kopie einspringen und von der Zelle vervielfältigt werden.
Die Lösung in Form eines veränderten Aids-Virus fanden die Londoner Wissenschaftler Dr. Rafael Yáñes- Muños und Professor Adrian Thrasher. An den Untersuchungen zur Effizienz und zu Sicherheitsfragen dieser Vektoren war auch Professor Christof von Kalle vom Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg mit seinem Team beteiligt.
Krebsgefahr durch Gentherapie
Gentherapie ist die Behandlung von Erbkrankheiten durch das Einbringen von Genen in die Zellen betroffener Gewebe. So kann die Funktion des eingebrachten Gens die Fehlregulation oder den Ausfall mutierter Gene ausgleichen. Bei der neuen Methode transportierte eine stark abgewandelte Form des Aids-Virus das genetische Material in die Zellen.
Dazu entfernten die Wissenschaftler die Sequenzen, die das Virus gefährlich machen, aus dessen genetischer Information und ergänzten dann stattdessen das benötigte Gen. Mögliche Risiken eines solchen Vorgehens liegen darin, dass die Gene unkontrolliert in das Genom der Wirtszelle eingebaut werden und dabei wichtige Informationen verändern können (Insertionsmutagnese). Je nach Platzierung dieser „Erbgutergänzung“ kann sich daraus Krebs entwickeln.
Yáñes-Muños und seine Mitarbeiter umgingen dieses Problem, indem sie durch Veränderung der viralen Erbinformation den Einbau in das Genom der Wirtszelle verhinderten. Um zu überprüfen, ob die Zelle die neuen Informationen dennoch ablas und in Proteine übersetzte, ließen die Wissenschaftler das Virus ein Quallen-Gen in die Netzhautzellen injizieren. Dieses enthielt den Bauplan für ein Protein, das nach Belichtung mit Licht einer anderen Wellenlänge grün fluoresziert. Weil die neue Information konstant umgesetzt wurde, leuchteten die Augen der Mäuse grün, sogar noch neun Monate später. Entsprechend effektiv gelang diese Methode auch mit dem therapeutischen Gen.
Bald auch Einsatz beim Menschen möglich
Die Heilung dieser seltenen Netzhauterkrankung im Mausmodel ist laut Yáñes-Muños und Thrasher richtungsweisend für die Behandlung anderer erblicher Augenkrankheiten. Die Erprobung am Menschen sollte bereits in zwei bis drei Jahren möglich sein.
Gentherapien sind bereits in früheren Studien zur Behandlung erblicher Blutkrankheiten erfolgreich eingesetzt worden, hatten aber in drei Fällen eine Leukämie-ähnliche Erkrankung zur Folge. Von Kalle fand den Grund dafür in der unbeabsichtigten Aktivierung eines krebsauslösenden Gens.
Das Therapiegen hatte sich nahe bei einem solchen Gen in die Erbsubstanz eingefügt und verursachte dadurch abnormales Zellwachstum. Wie in der vorliegenden Arbeit will von Kalle die molekularen Vorgänge der Vektorfunktion auffinden und verstehen, um die Gentherapie frei von solchen Nebenwirkungen zu machen.
(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 10.03.2006 – DLO)