Auf das Alter kommt es an: Wie viel Bier oder Wein noch gesund sind, ist umstritten. Jetzt enthüllt eine Studie: Es kommt auf das Alter an. Für junge Erwachsene ist Alkohol demnach primär schädlich – egal in welcher Dosis. Bei Menschen über 40 dagegen könnte eine kleine Menge Alkohol das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Schlaganfälle verringern – aber dafür ist schon ein Glas Wein am Tag zu viel, wie die Forschenden in „The Lancet“ berichten.
Alkohol ist in erster Linie ein Gift: Schon in relativ geringer Dosis schadet es Blutgefäßen, Leber und Gehirn, kann Fehlbildungen bei Ungeborenen hervorrufen und Krebs verursachen. Diese Effekte treten zudem schon bei weit weniger als einem Glas Rotwein pro Tag auf, wie Studien nahelegen. Die gesundheitsfördernde Wirkung von gemäßigtem Alkoholgenuss ist demnach ein Mythos. Trotzdem gibt es aber immer wieder Studien, die auch positive Effekte von kleinen Alkoholmengen auf das Herz-Kreislaufsystem und den Blutzuckerhaushalt nahelegen.
1,34 Millionen Menschen weltweit als Testgruppe
Wie sind diese Widersprüche zu erklären? Auf der Suche nach einer Antwort hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Emmanuela Gakidou von der University of Washington Daten der „Global Burden of Diseases“-Langzeitstudie ausgewertet. Sie analysierten die Gesundheitsdaten von 1,34 Millionen Menschen aus 204 Ländern und verschiedenen Altersgruppen darauf, inwieweit das Ausmaß des Alkoholkonsums das Risiko für 22 verschiedene Krankheiten beeinflusste.
Ziel der Forschenden war es unter anderem, die minimale Dosis zu ermitteln, unterhalb der Alkohol folgenlos bleibt – und wie stark diese noch verträgliche Minimaldosis variiert. „Bisher hat keine Studie untersucht, ob und wie sich das theoretische Minimum des Alkoholkonsums mit Geschlecht, Alter, und Geografie verändert und welche Rolle Vorerkrankungen spielen“, konstatieren Gakidou und ihr Team. „Das kompliziert die Bewertung des Risikos durch den Alkoholkonsum.“
Mehr Risiken für Jüngere
Die Auswertungen enthüllten: Wie schädlich Alkohol für die Gesundheit ist, hängt weniger vom Geschlecht ab als gedacht, dafür umso stärker vom Alter. „Wir haben festgestellt, dass die Gesundheitsrisiken schon eines geringen Alkoholkonsums bei jüngeren Menschen höher sind als bei älteren und je nach Region variieren“, berichtet das Team. Demnach führt Alkoholkonsum im Alter von 15 bis 39 Jahren überall auf der Welt zu den meisten Erkrankungen, Verletzungen und Todesfällen. Gleichzeitig ist die noch als harmlos einzustufende Alkoholdosis bei dieser Altersgruppe geringer als bei Älteren.
Besonders betroffen sind dabei junge Männer: „Obwohl die mit dem Alkoholkonsum verknüpften Risiken für Männer und Frauen ähnlich sind, stechen junge Männer als die Gruppe heraus, die am häufigsten schädliche Mengen Alkohol konsumiert“, sagt Gakidou. Sie trinken häufiger und mehr als gleichaltrige Frauen – entsprechend häufiger sind sie von alkoholbedingten Gesundheitsfolgen betroffen, darunter vor allem Unfällen, gewalttätigen Auseinandersetzungen und auch Selbstmorden.
Anders wirkt sich der Alkoholkonsum hingegen bei älteren Menschen ab 40 Jahren aus: Bei ihnen kann der Konsum geringer Dosen Alkohol sogar förderlich für die Gesundheit sein, wie die Forschenden feststellten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Betroffenen nicht an Vorerkrankungen leiden.
Welche Dosis ist noch harmlos?
Aber was bedeutet dies für die Praxis? Wie viel Alkohol ist noch verträglich und ab wann steigt das Risiko? „Unsere Botschaft ist einfach: Junge Menschen sollten am besten gar nicht trinken, ältere könnten hingegen von geringen Alkoholmenge profitieren“, sagt Gakidou. Konkret ermittelten die Wissenschaftler als Maximaldosis für Menschen unter 40 rund 0,13 Standarddrinks pro Tag – das entspricht nur 13 Millilitern Rotwein oder einer Zehntel Flasche Bier.
Für Menschen ab 40 Jahren variiert die noch als harmlos eingestufte Dosis zwischen 50 und 150 Millilitern Wein oder einer halbe bis eineinhalb Flaschen Bier. Bei gesunden Menschen über 65 Jahren zeigten sich in der Studie sogar erst ab gut drei Flaschen Bier oder kleinen Rotweingläsern erhöhte Krankheitsrisiken – vermutlich, weil die langfristigen Folgen sich in diesem Alter nicht mehr vor dem normalen Ableben manifestieren.
„Auch wenn es nicht realistisch ist zu glauben, dass junge Menschen deswegen ganz auf Alkohol verzichten, halten wir es für wichtig, diese neuen Erkenntnisse zu kommunizieren“, sagt Gakidou. „Denn dann kann jeder auf dieser Basis selbst informierte Entscheidungen über seine Gesundheit treffen.“
Leitlinien müssen angepasst werden
Dennoch befürwortet das Team es, dass auch die bisher gängigen Leitlinien entsprechend angepasst werden. Die gängigen Empfehlungen variieren je nach Land zwischen acht und 42 Gramm Alkohol täglich für Frauen und zehn bis 52 Gramm für Männer. Ein Standarddrink – ein kleines Glas Wein oder eine Flasche Bier – enthält rund zehn Gramm Alkohol. Nach Ansicht der Forschenden müssen diese Maximaldosen jedoch für jüngere Menschen deutlich gesenkt werden.
„Zudem erscheint unseren Daten zufolge eine Aufteilung der Richtlinien nach Geschlechtern nicht sinnvoll“, schreiben Gakidou und ihre Kollegen. „Stattdessen sollte nach Alter und Region differenziert werden.“ (The Lancet, 2022; doi: 10.1016/S0140-6736(22)00847-9)
Quelle: The Lancet