Medizin

Alzheimer: Hirnstimulation macht Defizite rückgängig

Behandlung mit nicht-invasiver Magnetstimulation verbessert kognitive Fähigkeiten bei Demenz

Gehirn
Die sogenannte transkranielle Magnetstimulation kann womöglich bei Alzheimer helfen. © Image Jungle/ iStock.com

Neue Hoffnung für Demenzpatienten: Eine nicht-invasive Form der Hirnstimulation eignet sich womöglich als Therapie bei Alzheimer. Wie eine Pilotstudie zeigt, führt die tägliche Behandlung mit elektromagnetischen Wellen zu einer deutlichen Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten – und macht sogar Gedächtnisdefizite wieder rückgängig. Die Magnetstimulation erfolgt dabei über eine spezielle Kappe und kann problemlos Zuhause durchgeführt werden.

Alzheimer ist eine der der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. Allein in Deutschland sind rund 1,3 Millionen Menschen betroffen – Patienten, für die es bis heute keine durchschlagenden Therapiemöglichkeiten gibt. Weil viele als vielversprechend gehandelte Arzneistoffe zuletzt in entscheidenden Studien enttäuscht haben, widmen sich Mediziner inzwischen vermehrt der Erforschung alternativer Behandlungsansätze.

Dazu gehört auch die sogenannte Hirnstimulation: Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Stimulation tiefliegender Gehirnregionen mithilfe eines implantierten Hirnschrittmachers die Symptome bei Betroffenen verbessern kann. Doch möglicherweise funktioniert dies sogar mit einer nicht-invasiven Methode. Zumindest an Mäusen hatten Forscher bereits Erfolge mit der transkraniellen Magnetstimulation erzielt. Dabei wirken Magnetfelder durch die Schädeldecke auf Areale im Denkorgan ein.

Stimulation über eine Kappe

Wie Gary Arendash von der Firma NeuroEM Therapeutics in Phoenix und seine Kollegen berichten, konnten bei den Nagern durch diese Behandlung kognitive Defizite rückgängig gemacht werden. Aber wie gut schlägt die Magnetstimulation bei menschlichen Patienten an? Genau dies haben die Wissenschaftler nun in einer Pilotstudie mit acht Probanden untersucht. Alle Studienteilnehmer waren 63 Jahre oder älter und litten an leichtem bis moderat fortgeschrittenem Alzheimer.

Für die Behandlung erhielt jeder der Patienten eine spezielle Kappe für den Kopf, über die elektromagnetische Wellen im Hochfrequenzbereich das Gehirn stimulieren. Dies geschah zweimal am Tag für jeweils eine Stunde über einen Zeitraum von zwei Monaten. Das Besondere: Die Probanden konnten die Therapiesitzungen Zuhause durchführen und sich dabei sogar fast uneingeschränkt bewegen und aktiv bleiben.

Ein Jahr in der Zeit zurück

Nach zwei Monaten folgte der entscheidende Test: Hatte sich durch die Magnetstimulation etwas an den kognitiven Fähigkeiten der Demenzpatienten geändert? Tatsächlich zeigte sich, dass sieben der acht Teilnehmer in einem standardisierten Alzheimertest besser abschnitten als zuvor – im Schnitt um rund vier Punkte. Dies ist den Forschern zufolge ein deutlicher und klinisch signifikanter Effekt.

Wie sie erklären, verschlechtert sich die Leistung im sogenannten ADAS-Cog-Test im Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung typischerweise um vier Punkte pro Jahr. Die Probanden waren dank der Therapie somit gewissermaßen ein Jahr in der Zeit zurückgereist. Auch der Blick ins Gehirn deutete auf Verbesserungen hin. So zeigten MRT-Aufnahmen bei einzelnen Patienten zum Beispiel, dass die funktionellen Verknüpfungen innerhalb des Gyrus cinguli zugenommen hatten – einer Hirnregion, die unter anderem an Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt ist.

Auflösung krankhafter Proteinaggregate?

„Besonders überrascht waren wir davon, dass die positiven Veränderungen teilweise sogar noch zwei Wochen nach dem Ende der Behandlung nachweisbar waren“, berichtet Arendash. „Dieser anhaltende Effekt deutet darauf hin, dass der Verlauf der Alzheimererkrankung direkt beeinflusst wurde.“ Bereits in den vorangegangenen Mausstudien hatte sich eine mögliche Erklärung dafür abgezeichnet. Demnach scheinen die Magnetfelder die für diese Demenz typischen Ansammlungen von Beta-Amyloid- und Tau-Proteinen im Gehirn aufzulösen.

Untersuchungen von Blut und Hirnwasser der Studienteilnehmer bestätigten dies. In diesen Körperflüssigkeiten lassen sich Beta-Amyloid-Proteine und andere Biomarker für Alzheimer nachweisen und liefern so Hinweise auf das Stadium der Erkrankung. Die Messungen veränderten sich den Forschern zufolge nach der Therapie so, dass sie auf eine Auflösung der Amyloid- und Tau-Aggregate hindeuteten.

„Einfach und ohne Nebenwirkungen“

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass die transkranielle Magnetstimulation eine völlig neue Therapiemaßnahme gegen Alzheimer darstellt, die die Erkrankung deutlich beeinflusst, keine Nebenwirkungen hat und einfach Zuhause angewendet werden kann“, konstatieren Arendash und seine Kollegen.

Ob diese Form der Hirnstimulation die hohen Erwartungen erfüllen kann, sollen nun weitere Studien mit größeren Probandengruppen und über längere Zeiträume zeigen. Auch die Teilnehmer der aktuellen Untersuchung setzen die Magnetstimulation in einer weiterführenden Studie bereits weiter ein. „Keiner der Patienten wollte sein Gerät nach Beendigung des Versuchs abgeben. Das ist vielleicht der beste Hinweis darauf, dass die Therapie wichtige Erfolge erzielt hat“, schließt Arendash. (Journal of Alzheimer’s Disease, 2019; doi: 10.3233/JAD-190367)

Quelle: IOS Press

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