Neue Hoffnung für Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration (AMD): Forscher haben ein Mittel entdeckt, das die fortschreitende Erblindung aufhält – und das ohne Spritze ins Auge verabreicht werden kann. In Versuchen mit Mäusen stoppte der Wirkstoff erfolgreich das Einwachsen von Adern in die Netzhaut, wie Forscher im Fachmagazin „Science Translational Medicine“ berichten. Ein großer Vorteil: Das Mittel hat sich in klinischen Studien schon als sicher und verträglich erwiesen, könnte also schnell auf den Markt gebracht werden.
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist bei uns die häufigste Ursache für eine Erblindung: Jeder Zehnte über 50 Jahren ist betroffen – Tendenz steigend. AMD kommt in zwei Formen vor: Bei der trockenen Variante sterben Pigmentzellen in der Netzhaut nach und nach ab. Bei der feuchten Form wachsen Blutgefäße in die Netzhaut ein und zerstören so das zentrale Sehen. „Zwar entwickeln nur 10 bis 15 Prozent der AMD-Patienten die feuchte Form, sie aber ist für 90 Prozent der Erblindungen verantwortlich“, erklären Sarah Doyle vom Trinity College in Dublin und ihre Kollegen
Spritzen ins Auge helfen nur bedingt
Das Problem: Die Augenkrankheit ist komplex und bisher gibt es nur wenige Möglichkeiten, das Voranschreiten des Sehverlusts zu bremsen. „Die einzige effektive Therapie erfordert regelmäßige Injektionen von monoklonalen Antikörpern direkt in das Auge“, so die Forscher. Diese Antikörper hemmen einen Wachstumsfaktor und stoppen so das Aderwachstum.
Diese Therapie wird aber nur im Spätstadium der AMD eingesetzt und muss zudem ständig wiederholt werden. Patienten müssen daher im Extremfall mehr als hundert Injektionen in ihr Auge ertragen, wie die Wissenschaftler berichten. Entsprechend hoch ist das Risiko für Infektionen, eine Netzhautablösung und Blutungen.
Entzündungs-Botenstoff als Wachstumshemmer?
Doyle und ihre Kollegen haben daher nach einer verträglicheren Alternative gesucht. Einen vielversprechenden Kandidaten gab es bereits: In vorhergehenden Studien hatte sich schon angedeutet, dass ein Entzündungsbotenstoff, Interleukin-18 (IL-18), das Fortschreiten der AMD hemmen könnte.
In ihrer aktuellen Studie prüften die Forscher nun an Zellkulturen und Mäusen, ob der Botenstoff tatsächlich das Einwachsen der Gefäße in die Netzhaut unterdrückt und – ebenso wichtig – ob er für die sensiblen Netzhautzellen ungefährlich ist. Dafür verabreichten sie Mäusen mit einer künstlich herbeigeführten AMD-ähnlichen Krankheit unterschiedlich hohe Dosen von IL-18. „Wir stellten fest, dass niedrige Dosen von IL-18 keinerlei schädliche Wirkung auf die Retina hatten, aber trotzdem das anormale Gefäßwachstum unterdrückten“, berichtet Doyle.
Subkutane Injektion reicht
Noch viel wichtiger aber: Der Botenstoff wirkt effektiv wie die herkömmliche Behandlung, muss aber nicht direkt ins Auge gespritzt werden, wie weitere Versuche zeigten. Das Mittel bremste auch dann die Makuladegeneration, wenn es den Mäusen nur unter die Haut gespritzt wurde. Eine subkutane Injektion einer Dosis von 1 Milligramm IL-18 pro Kilogramm Körpergewicht hemmte das Aderwachstum im Auge deutlich, ohne schädliche Nebenwirkungen zu haben, wie die Forscher berichten. Wurde diese Behandlung mit der herkömmlichen Injektion von Antikörpern kombiniert, waren die Ergebnisse sogar noch besser.
Ein weiterer entscheidender Vorteil: IL-18 ist kein unbekanntes Mittel. Der Botenstoff hat bereits mehrere klinische Studien durchlaufen, die seine Verträglichkeit für den Menschen belegen. Denn IL-18 gilt auch als vielversprechender Wirkstoff gegen metastasierenden Hautkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom und eine Reihe anderer Krebsarten, wie die Forscher berichten.
„Für Patienten mit AMD hat dieser Wirkstoff daher immenses Potenzial als effektive und zugleich sichere Therapie dieser unheilbaren Krankheit“, so Doyle und ihre Kollegen. Sie schätzen, dass klinische Tests und eine Einführung von IL-18 als Therapie für die feuchte AMD sogar schon relativ kurzfristig erfolgen könnten. Für betroffene Patienten ist das ein Hoffnungsschimmer. (Science Translational Medicine, 2014; doi: 10.1126/scitranslmed.3007616)
(Trinity College Dublin, 03.04.2014 – NPO)