Medizin

Andenmumien mit ausgeprägter Arteriosklerose

Gefäßverkalkung könnte für unsere Vorfahren ein größeres Problem gewesen sein als gedacht

Chinchorro-Mumien
Chinchorro-Mumien: Schon Vertreter dieser Jäger-und-Sammler-Kultur litten an Arteriosklerose. © Heretiq/ CC-by-sa 2.5

Verstopfte Gefäße: Schon vor 4.000 Jahren litten Jäger und Sammler aus den Anden an Arteriosklerose, wie Untersuchungen von Mumien zeigen. Dank einer neuen Methode wiesen die Forscher dabei sogar ganz frühe Symptome dieses Leidens bei jungen Individuen nach. Damit bestätigt sich nicht nur, dass die Gefäßverkalkung keine reine Zivilisationskrankheit ist. Womöglich war sie in frühen Kulturen auch verbreiteter als bisher angenommen.

Arteriosklerose gilt eigentlich als typische Zivilisationskrankheit. Erst die moderne und oft ungesunde Lebensweise machte die Menschen demnach anfällig für die „Verkalkung“ der Arterien. Inzwischen zeichnet sich allerdings zunehmend ab, dass diese Annahme falsch ist. So zeigen Untersuchungen von Mumien: Schon die alten Ägypter, der Gletschermann „Ötzi“ und Vertreter anderer früher Kulturen litten an der krankhaften Einlagerung von Fetten in den Gefäßinnenwänden, die schließlich zur Bildung gefährlicher Plaques führt und die Gefäße immer weiter verengt.

„Arteriosklerose scheint bereits seit langer Zeit ein Problem zu sein“, erklärt Mohammad Madjid von der University of Texas in Houston. Weitere Belege dafür, wie weit verbreitet das vermeintliche Zivilisationsleiden bereits vor tausenden von Jahren war, haben der Mediziner und seine Kollegen nun bei vier Mumien aus Südamerika und einer aus dem Nahen Osten entdeckt.

Ablagerungen von Cholesterin im Blick

Für ihre Studie untersuchten die Forscher die sterblichen Überreste von drei Männern und zwei Frauen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Die ältesten Mumien stammten aus der Zeit um 2.000 vor Christus und damit aus der späten Ära der Chinchorro-Kultur – einfachen Jägern und Sammlern, die im Gebiet des heutigen Nordchile und Peru lebten und ihre Toten schon lange vor den Ägyptern mumifizierten.

Um mehr über den Zustand der Arterien dieser Personen herauszufinden, nutzte Madjids Team erstmals die Nahinfrarot-Spektroskopie. Der Vorteil: Anders als die bisher genutzte Computertomografie (CT) macht diese Methode nicht nur Anreicherungen von Calcium in den Arterien sichtbar, sondern kann Cholesterin in den Gefäßwänden nachweisen. Ablagerungen dieser Fette gehören zu den ersten Anzeichen einer Arteriosklerose – Calciumablagerungen bilden sich dagegen meist erst in späteren Stadien der Erkrankung.

Stärker verstopft als erwartet

Die Ergebnisse zeigten: Die mumifizierten Menschen litten zu Lebzeiten tatsächlich unter Arteriosklerose. Dabei waren ihre Arterien deutlich stärker verstopft als erwartet und auch bei relativ jungen Individuen ließen sich bereits erste Spuren dieser Krankheit entdecken, wie die Wissenschaftler berichten. „Damit bestätigt unsere Studie die Verbreitung Cholesterin-reicher Plaques schon in alten Zeiten“, konstatieren sie.

Normalerweise gelten zu wenig Bewegung und eine ungesunde Ernährung als die wichtigsten Risikofaktoren für Arteriosklerose. Doch warum erkrankten dann schon vor 4.000 Jahren lebende Jäger und Sammler daran, auf die diese Risikofaktoren aller Wahrscheinlichkeit nicht zutrafen? Nach Ansicht von Madjid und seinen Kollegen könnten neben einer genetischen Veranlagung damals auch Infektionen oder die Belastung mit Rauch aus Feuerstellen zur Entstehung der Erkrankung beigetragen haben.

Häufigkeit unterschätzt?

In Zukunft wollen die Forscher weitere Mumien mit ihrer Methode untersuchen, um mehr über die Verbreitung der Arteriosklerose in frühen Gesellschaften herauszufinden. „Denn durch den Einsatz der Computertomografie könnte die tatsächliche Häufigkeit dieser Erkrankung bisher unterschätzt worden sein“, sagt Madjid. „Die Nahinfrarot-Spektroskopie ist eine vielversprechende Technik, um Mumien unterschiedlicher Kulturen zu untersuchen und Einblicke in die Ursprünge der Arteriosklerose zu erlangen“, so sein Fazit. (American Heart Journal, 2019, doi: 10.1016/j.ahj.2019.06.018)

Quelle: University of Texas

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