Schrankenlose Übertragung: Eine globale Kartierung von Antibiotika-Resistenzen enthüllt ein unerwartetes Muster der Ausbreitung. Demnach werden die Resistenzgene häufiger als erwartet auch zwischen sehr unterschiedlichen Bakterientypen weitergegeben. Ein besonderer Hotspot dieser gruppenübergreifenden Übertragung ist dabei das südliche Afrika, wie die Forschenden ermittelten. Gleichzeitig bilden die Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika-Klassen trotzdem regionale Cluster.
Weltweit nimmt die Zahl resistenter und multiresistenter Bakterien immer weiter zu. Viele Erreger sind inzwischen selbst gegen Notfall-Antibiotika und neue Wirkstoffe immun. Als Folge starben allein im Jahr 2019 mehr Menschen an eigentlich heilbaren Infektionen als an HIV oder Malaria. Die von den Bakterien untereinander weitergegebenen Resistenzgene finden sich inzwischen überall im Boden, im Staub, in Gewässern und sogar in der Luft. Solange diese Gene in für uns harmlosen Bakterien vorkommen, schadet uns dies nicht, wohl aber, wenn sie in Krankheitserreger gelangen.
Fahndung im Abwasser
Wie weit verbreitet Resistenzgene inzwischen sind, haben nun Patrick Munk von der Technischen Universität Dänemarks und seine Kollegen untersucht. Dafür analysierten sie knapp 800 Abwasserproben aus 243 Städten in 101 Ländern, die zwischen 2016 und 2019 genommen worden waren. Ähnlich wie bei der Corona-Pandemie für das Coronavirus nutzten sie die Kanalisation in diesem Fall als aussagekräftiges Reservoir unseres bakteriellen Umfelds.
„Abwasser bietet uns eine gute, günstige Methode, um ganze Städte auf die in ihnen kursierenden Antibiotika-Resistenzgene hin zu beproben“, erklärt das Team. „Denn im Abwasser finden wir sowohl die Resistenzgene von Bakterien, die wir in uns tragen, als auch diejenigen, denen wir in Zukunft begegnen könnten.“ Die in den Proben gefundenen DNA-Sequenzen glichen die Forschenden mit einer Datenbank der mehr als 3.100 bisher bekannten Resistenzgene ab.
Globale Akteure und regionale Cluster
Das Ergebnis: Das Team wies 557 verschiedene Antibiotika-Resistenzgene im Abwasser nach. 13 dieser Resistenzgene kamen weltweit und in jeder einzelnen Probe vor – egal aus welchem Land und von welchem Kontinent. Dazu gehören Gene, die die Bakterien immun gegen Tetracycline, Sulfonamide und Macrolid-Antibiotika machen. 127 weitere Resistenzgene kamen jeweils in mindestens der Hälfte der weltweiten Proben vor, wie Munk und seine Kollegen ermittelten.
Die Menge der verschiedenen Resistenzgene pro Probe variierte dabei stark zwischen den Regionen und Ländern. Europa und Nordamerika liegen dabei im Mittelfeld und haben relativ einheitliche Zahlen. In Afrika, Südamerika und dem Mittleren Osten sind die Unterschiede hingegen selbst zwischen Nachbarländern enorm, wie das Team feststellte. Die Gene fanden sich sowohl in harmlosen Bakterien als auch in bekannten Krankheitserregern, darunter Vertretern aus den Gattungen Streptococcus, Acinetobacter, Klebsiella und Pseudomonas.
Übertragung selbst zwischen verschiedenen Großgruppen
Überraschend jedoch: Bisher nahm man an, dass die Weitergabe der Resistenzgene primär zwischen enger verwandten Bakterien stattfindet – beispielsweise nur innerhalb der gramnegativen oder der grampositiven Bakterien. Doch wie die Forschenden feststellten, stimmt dies nicht: „Wir haben gleiche Resistenzgene in hochgradig unterschiedlichen Bakterienformen gefunden“, berichtet Munk. So übertrugen grampositive Enterokokken ihre Resistenzgene auch an die gramnegative Gattung Campylobacter.
„Wir finden es besorgniserregend, wenn solche Gene von einer der großen Gruppen der Bakterien in eine völlig andere mit kaum Ähnlichkeiten gelangen können“, sagt Munk. „Es ist extrem selten, dass ein Gentransfer über so große phylogenetische Entfernungen hinweg stattfindet.“ Eine solche gruppenübergreifende Verbreitung der Antibiotika-Resistenzen erhöhe das Risiko, dass auch Krankheitserreger diese Gene bekommen.
Südliches Afrika als Hotspot und Schmelztiegel
Ein besonderer Hotspot dieser gruppenübergreifenden Weitergabe von Resistenzgenen liegt den Analysen zufolge in Afrika südlich der Sahara. Dort wiesen die Wissenschaftler besonders viele gleiche Genen bei unterschiedlichen Bakterienformen nach. „Wir schließen daraus, dass dies ein Transmissions-Hotspot sein muss, in dem Gene über mehrere Bakterienarten selbst an kaum verwandte Arten weitergegeben werden“, erklärt Munk.
Nach Ansicht der Forschenden illustriert dies, wie wenig die Medizin bisher über die Antibiotika-Resistenzen gerade in wenig entwickelten Regionen der Erde weiß. Denn gerade dort fehlt es meist an systematischen Überwachungsprogrammen. „Wir riskieren, wichtige Entwicklungen zu übersehen, weil uns von dort die Daten fehlen“, warnt Munk. „Offenbar können Resistenzgene sich in diesen Regionen ganz anders verhalten als in den Industrieländern, wahrscheinlich weil sie dort bessere Übertragungsmöglichkeiten finden.“
Munk und sein Team betonen daher, dass es angesichts der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen wichtiger sei denn je, auch die weniger entwickelten Regionen im Blick zu behalten. „Man mag glauben, dass es uns nicht betrifft, was auf der anderen Seite des Globus passiert, aber das ist ein Irrtum: Diese Probleme kommen auch zu uns, wie wir schon häufiger gesehen haben“, sagt Munk. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-34312-7)
Quelle: Technical University of Denmark