Rätselhafte rote Farbe: Ein in 150 Millionen Jahre alten fossilen Rotalgen enthaltener Farbstoff hat große Ähnlichkeit mit einem erst letztes Jahr entdeckten Antibiotikum. Deutsche Forscher haben die chemische Struktur des fossilen Farbstoffs entschlüsselt und ihn als Produkt von Bakterien identifiziert. Dies zeigt, dass bereits in der Jura-Zeit eine Vielfalt an Naturstoffen existierte und sich an den chemischen Grundstrukturen seitdem wenig geändert hat, berichten die Wissenschaftler im „Journal of the American Chemical Society“.
Antibiotika sind eine moderne Wunderwaffe der Medizin: Die Entdeckung des Penizillins liegt noch keine hundert Jahre zurück. Dieses erste Antibiotikum heilte unzählige Menschen von andernfalls kaum zu bekämpfenden Infektionen und rettete unzählige Leben. Zahlreiche neue Antibiotika folgten seitdem, und heutzutage ist der Bedarf größer denn je: Mehr und mehr Bakterien sind gegen die bekannten Medikamente resistent, und immer weitere brandneue Mittel sind nötig.
Nur eine einzige vergleichbare Struktur bekannt
Doch obwohl Antibiotika für uns eine relativ neue Erfindung sind, existieren solche Stoffe schon seit Millionen von Jahren: Wissenschaftler um Klaus Wolkenstein von der Universität Göttingen haben rätselhaft rötlich gefärbte fossile Strukturen untersucht, die vermutlich von Rotalgen aus der Zeit des Jura vor rund 150 Millionen Jahren stammen. Für die rötliche Farbe verantwortlich sind bestimmte chemische Verbindungen, sogenannte Borolithochrome.
Die Forscher verglichen die Borolithochrome mit heutigen Naturstoffen. Dabei zeigte sich, dass es nur eine einzige bekannte Substanz mit einer vergleichbaren chemischen Struktur gibt: das gegen multiresistente Krankenhauskeime wirksame Antibiotikum Clostrubin. Dieses sogenannte Polyketid-Antibiotikum ist erst seit gut einem Jahr bekannt, seitdem es aus einem Bakterium der Gattung Clostridium isoliert wurde.
Perfekt erhaltene Naturstoffe aus der Jura-Zeit
Eine besondere Herausforderung bei der Analyse war die winzige Menge der noch erhaltenen Farbstoffe. Doch die Forscher fanden heraus: Die Borolithochrome zeigen dieselbe von der Aminosäure Isoleucin abgeleitete Grundstruktur. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass sie tatsächlich einen biologischen Ursprung haben.
„Niemand hätte erwartet, derart perfekt erhaltene Naturstoffe in den fossilen Überresten eines Organismus aus der Jura-Zeit vorzufinden“, sagt Wolkenstein. Die große Ähnlichkeit der fossilen Farbstoffe mit dem heutigen Antibiotikum zeige jedoch, dass diese Substanzen auch nach mehr als 150 Millionen Jahren noch nahezu unverändert erhalten seien. Auch ursprünglich hätten wahrscheinlich Bakterien die rotgefärbten Stoffe produziert, so der Forscher. Die Ergebnisse bieten einen einzigartigen Einblick in die vorhandene Naturstoffvielfalt in der Urzeit und zeigen, wie wenig sich Baupläne von funktionellen Naturstoffen im Laufe der Evolution verändert haben. (JACS, 2015; doi: 10.1021/jacs.5b08191)
(Georg-August-Universität Göttingen, 21.10.2015 – AKR)