Medizin

Antidepressivum hemmt das Coronavirus

Seit 40 Jahren zugelassener Wirkstoff Fluoxetin blockiert die Vermehrung von SARS-CoV-2

Prozac
Das Antidepressivum Fluoxetin, auch bekannt als Prozac, hemmt die Vermehrung von SARS-CoV-2 – zumindest in der Zellkultur. © Tom Varco/ /CC-by-sa 3.0

Positive „Nebenwirkung“: Ein altbekanntes Medikament gegen Depression könnte auch gegen SARS-CoV-2 helfen. Denn der Wirkstoff Fluoxetin hemmt die Vermehrung des Coronavirus – zumindest in der Zellkultur, wie eine Studie belegt. Demnach blockiert das auch unter dem Handelsnamen Prozac bekannte Antidepressivum die Proteinproduktion des Virus. Sollte sich dies in Tierversuchen bestätigen, könnte das seit gut 40 Jahren zugelassene Mittel auch Covid-19-Patienten helfen.

Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 fahnden Wissenschaftler nicht nur nach ganz neuen Mitteln – auch altbekannte Medikamente werden unter die Lupe genommen. Denn sie haben den Vorteil, dass sie schon zugelassen sind und ihre Verträglichkeit bereits geprüft wurde. Das spart Zeit im Wettlauf mit der Corona-Pandemie. Bisher allerdings haben sich Kandidaten wie das Aidsmedikament Lopinavir und das Malariamittel Hydroxychloroquin als nur wenig wirksam erwiesen.

Antidepressiva im Corona-Test

Einen neuen Kandidaten haben nun jedoch Forscher um Jochen Bodem von der Universität Würzburg aufgespürt. Es handelt sich um das schon seit gut 40 Jahren eingesetzte Antidepressivum Fluoxetin – auch bekannt als Prozac. Dieser Wirkstoff lindert die Depression, indem er die Konzentration des Botenstoffs Serotonin in den Synapsen des Gehirns erhöht. Er gehört damit zur Gruppe der sogenannten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSSRI).

In ihrer Studie haben Boden und sein Team drei solcher SSSRI-Medikamente daraufhin getestet, ob sie die Vermehrung von SARS-CoV-2 in Zellkulturen hemmen können. Dafür setzen sie den Zellen zunächst drei Tage lang jeweils einen der Wirkstoffe zu. Die Konzentration entsprach dabei der, die auch für die Behandlung der Depression eingesetzt wird. Dann infizierten die Forscher die Zellkultur mit Coronaviren, die aus einem Covid-19-Patienten isoliert worden waren.

Fluoxetin hemmt virale Proteinproduktion

Das Ergebnis: Zwei der drei Mittel erwiesen sich als wirkungslos. Das dritte jedoch, Fluoxetin, blockierte die Vermehrung von SARS-CoV-2 schon in sehr niedriger Konzentration, wie die Forscher berichten. Ergänzende Analysen ergaben, dass Fluoxetin offenbar die Proteinproduktion des Coronavirus hemmt. Dadurch kann das Virus nicht mehr die Bauteile bilden, die es zu seiner Vervielfältigung in der Wirtszelle benötigt.

Wie das Antidepressivum diesen Effekt erzielt, ist noch unklar. Die Forscher gehen aber davon aus, dass die Wirkung des Fluoxetins auf den Serotonin-Schaltkreis nichts damit zu tun hat. Denn dann hätten die beiden anderen Antidepressiva Paroxetin und Escitalopram ähnlich wirksam sein müssen – was nicht der Fall war. Zudem ergab ein weiterer Versuch, dass auch spiegelverkehrte Varianten von Fluoxetin die Virenvermehrung hemmen – gegen Depression hilft aber nur eine, wie Bodem und sein Team erklären.

Spezifisch nur für SARS-CoV-2

Und noch etwas zeigten die Experimente: Fluoxetin wirkt sehr speziell auf SARS-CoV-2. Bei anderen Viren, wie etwa dem Tollwutvirus, dem humanen Herpesvirus 8 oder dem Herpes-simplex-Virus, konnten die Wissenschaftler keine Effekte beobachten. In Zellkulturen vermehrten sich diese Viren auch in Anwesenheit von Fluoxetin ungestört. „Es spricht also alles dafür, dass Fluoxetin virusspezifisch wirkt“, sagt Bodem.

Positiv auch: Fluoxetin ist dafür bekannt, dass es die Ausschüttung von Cytokinen verringert. Diese Immun-Botenstoffe können bei Covid-19 zu einer überschießenden Entzündungsreaktion führen. Mediziner gehen davon aus, dass dieser „Cytokin-Sturm“ mitverantwortlich für viele Todesfälle durch das Coronavirus ist.

Geeignet für die frühe Behandlung von Covid-19?

Nach Ansicht von Bodem und seinem Team könnte sich Fluoxetin damit zur Behandlung von Covid-19 eignen. Am besten wäre ihrer Einschätzung nach ein Einsatz dieses Medikaments im frühen Stadium der Infektion, um bei Patienten der Risikogruppen einen schweren Verlauf zu verhindern. Vorteilhaft auch: Weil Fluoxetin schon seit 40 Jahren zugelassen ist, ist das Patent auf diesen Wirkstoff abgelaufen. Die Produktion des Medikaments ist daher günstig und kann weltweit erfolgen.

Allerdings: Noch hat das Antidepressivum seine Wirksamkeit nur in der Zellkultur bewiesen. Jetzt müssen Tierversuche zeigen, ob Fluoxetin das Coronavirus auch im lebenden Organismus bekämpfen kann. Sollte sich dies bestätigen, könnten erste klinische Studien mit Menschen beginnen. (Preprint, bioRxiv, 2020; doi: 10.1101/2020.06.14.150490)

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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