Jetzt haben die Forscher festgestellt, dass diese schädlichen Folgen der kosmischen Strahlung länger anhalten als bisher gedacht: Selbst sechs Monate nach der Bestrahlung blieb das neuronale Netzwerk im Gehirn der Mäuse noch messbar geschädigt. „Das sind keine guten Nachrichten für Astronauten, die einen zweieinhalbjährigen Rundtrip zum Mars und zurück vor sich haben“, sagt Limoli.

Die verzweigten Fortsätze der Hirnzellen, sogenannte Dendriten, wurden durch die Strahlung geschädigt. © Svisio/iStock.com
Hirnschäden noch nach sechs Monaten
Für ihre Studie hatten die Forscher Mäuse für relativ kurze Zeit einem Beschuss mit energiereichen, vollständig ionisierten Sauerstoff- und Titanatomen ausgesetzt – Partikeln, wie sie auch in der kosmischen Strahlung vorkommen. Die Dosis lag zwischen 0,5 und 3 Gray.
Sechs Monate später kontrollieren die Forscher sowohl das Verhalten der Tiere als auch den Zustand ihres Gehirns. Es zeigte sich: Selbst so lange nach der Bestrahlung waren Gehirnzellen vor allem im präfrontalen Cortex und im Hippocampus noch geschädigt und es gab Anzeichen für entzündliche Veränderungen. Die Neuronen besaßen zudem weniger Zellausläufer, so dass ihre Kommunikation untereinander beeinträchtigt war, wie die Forscher berichten.
Angstlöschung funktioniert nicht mehr
Diese neuronalen Schäden wirkten sich auch auf das Verhalten der Mäuse aus: Die bestrahlten Tiere hatten Probleme, sich Orte und Objekte zu merken und sie später wiederzuerkennen. Auch ihre Stimmung veränderte sich: Wie die Forscher feststellten, störte die Bestrahlung einen wichtigen Prozess zur Angsthemmung.
Dieser aktive Prozess sorgt normalerweise dafür, dass stressige oder furchterregende Erfahrungen und Assoziationen überwunden werden. Dadurch kann jemand, der beispielsweise beinahe überfahren wird, dennoch halbwegs angstfrei weiter am Verkehr teilnehmen. „Defizite in dieser Angstlöschung könnten bei einem knapp dreijährigen Flug zum Mars und zurück problematisch werden“, sagt Limoli.
Suche nach Schutzstrategien
„Die Weltraum-Umwelt birgt für die Astronauten einzigartige Gefahren“, sagt Limoli. „Die Belastung durch die Partikel kosmischer Strahlung kann zu einer ganzen Reihe von Problemen des Zentralnervensystems führen – darunter Gedächtnisschwächen, Leistungsdefiziten, Angst, Depression und beeinträchtigte Entscheidungsfähigkeit.“
Diese Effekte treten teilweise erst Monate nach einer Strahlenbelastung auf und könnte daher genau dann zum Tragen kommen, wenn bei Ankunft am Mars volle Konzentration gefragt ist. Bei künftigen Marsflügen, wie sie unter anderem das Unternehmen Space X, aber auch die NASA planen, müsse daher dringend eine Lösung für dieses Problem gefunden werden, so Limoli.
Das jedoch ist alles andere als einfach: Bisher gibt es kein Material, das bei vertretbarer Dicke und Gewicht diese energiereichen Teilchen abschirmen kann. „Man kann ihnen nicht entkommen“, sagt der Forscher. Er und seine Kollegen arbeiten daher an vorbeugenden Strategien gegen die Hirnschäden: Medikamenten, die das Gehirn gegen die Strahlenschäden schützen können. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep34774)
(University of California – Irvine, 11.10.2016 – NPO)
11. Oktober 2016