Krebs und andere Tumorerkrankungen gelten oft als neuzeitliche Geißel der Menschheit. Doch wie sich jetzt zeigt, litten Menschen schon vor mehr als 120.000 Jahren unter Geschwulsten. Das belegt die fossile Rippe eines Neandertalers, die ein internationales Forscherteam in einer Höhle in Kroatien entdeckt hat. Denn an ihr sind deutliche Spuren eines Knochentumors zu erkennen. Dies sei der bisher mit Abstand älteste Nachweis eines solchen Tumors bei einem urzeitlichen Menschen, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“.
„Krebs und andere Tumore hinterlassen nur selten Spuren an Skeletten – und noch seltener sind sie bei menschlichen Fossilien“, erklären Janet Monge von der University of Pennsylvania in Philadelphia und ihre Kollegen. Denn die meisten Geschwulste sitzen an Weichteilen, die nicht erhalten bleiben. Aber selbst Zeugnisse von Knochenveränderungen durch Tumore hat man bisher bei Relikten von Urzeitmenschen kaum gefunden. Der bisher älteste stammt aus der Zeit vor 1.000 bis 4.000 Jahren.
Aber neben den lückenhaften Fossilfunden gibt es noch einen weiteren Grund, warum man bisher kaum fossile Tumorspuren gefunden hat: Vermutlich wurden unsere Vorfahren und urzeitlichen Vettern schlicht nicht alt genug, um häufig an Krebs und ähnlichem zu erkranken. „Neandertaler lebten maximal halb so lange wie moderne Populationen“, so die Forscher. Da viele Krebsarten erst in höherem Alter auftreten, waren sie damals wohl entsprechend selten. Hinzu kommt, dass heute Schadstoffe und Umweltveränderungen die Entstehung von entarteten Zellen und Geweben zusätzlich begünstigen – Faktoren, die es in der Steinzeit so vermutlich nicht gab. Unter anderem deshalb ging man bisher davon aus, dass Krebs in prähistorischer Zeit extrem selten vorkam.
Tumor hinterließ Loch im Rippenknochen
„Umso überraschender ist es daher, dass wir nun einen gut 120.000 Jahre alten Neandertaler entdeckt haben, der eine eindeutig tumorbedingte Knochenveränderung zeigt“, sagen Monge und ihre Kollegen. Die Tumorspur zeigt sich an einem ausgefransten Loch in einem Stück eines Rippenknochens. Die Form dieser Läsion zeigt, wo ein Tumor einst die Knochensubstanz aufgelöst hat und den freien Raum durchwucherte.
Die Forscher identifizierten den Tumor als sogenannte fibröse Dysplasie, eine Knochenwucherung, die bereits im Kindesalter auftritt. „Dieser Fall zeigt, dass die Neandertaler bereits unter der gleichen Art von Tumoren litten wie wir heute“, sagt Studienleiter David Frayer von der University of Kansas. Welche Folgen das für den betroffenen Frühmenschen hatte, können die Forscher allerdings nicht sagen, da von diesem wenig mehr als dieser Rippenknochen erhalten ist.
Gefunden wurde der Rippenknochen im Krapina Shelter, einer flachen Höhle, knapp 60 Kilometer von der kroatischen Stadt Zagreb entfernt. Hier haben Paläontologen bereits vor hundert Jahren mehr als 900 verschiedene Knochen von Frühmenschen, darunter vor allem Neandertalern ausgegraben. (PLoS ONE, 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0064539)
(Public Library of Science, 06.06.2013 – NPO)