Kleine Ursache, große Wirkung: Die Auslöser der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn waren bisher erst in Teilen bekannt. Jetzt könnten Forschende die grundlegende Ursache gefunden haben. Demnach führen Defekte in den Mitochondrien der Darmzellen zu Gewebeschäden und verändern die Darmflora. Zusammen führt dies dann zur chronischen Entzündung. Mit diesem Wissen könnten nun neue Medikamente gegen Morbus Crohn entwickelt werden.
Bei der Krankheit Morbus Crohn ist die Darmwand geschädigt und der Magen-Darm-Trakt dadurch chronisch entzündet. Betroffene leiden typischerweise unter Durchfall, Bauchschmerzen und Fieber. Gegen die Symptome erhalten sie entzündungshemmende Medikamente, eine Heilung ist jedoch nicht möglich.
Ursache der Beschwerden gesucht
Wie die Entzündung der Darmwand zustande kommt, ist nicht vollständig geklärt. Seit einigen Jahren ist jedoch bekannt, dass sich bei Entzündungserkrankungen die Zusammensetzung der Mikroben im Darm verändert. Das gilt auch für Morbus Crohn. Forschende vermuten, dass diese Veränderungen der Darmflora die Verdauungsbeschwerden und Entzündungen verursachen. Doch wie kommt es zu dem veränderten Mikrobiom?
Dieser Frage ist ein Team um Elisabeth Urbauer von der Technischen Universität München (TUM) nachgegangen. Dafür haben die Wissenschaftler untersucht, wie die Darmflora mit dem Darmepithel zusammenhängt. Diese Zellschicht kleidet das Innere unseres Darms aus, nimmt Nährstoffe aus der Nahrung auf und wehrt Krankheitserreger ab.
Kraftwerke der Darmzellen im Fokus
Urbauer und seine Kollegen analysierten insbesondere, welchen Einfluss die Mitochondrien auf die Funktion des Darmepithels haben. Diese kleinen Zellorganellen sind bekanntermaßen die Kraftwerke unserer Zellen und für deren Energieversorgung zuständig. Stressmarker legen jedoch nahe, dass die Mitochondrien der Zellen der Darmschleimhaut bei Patienten mit chronischen Darmentzündungen nicht richtig arbeiten.
Um diese Hypothese zu überprüfen, manipulierten die Forschenden die Mitochondrien von Mäusezellen. Sie entfernten einen Gen-Abschnitt, der für die Produktion eines Proteins verantwortlich ist, ohne das die Mitochondrien ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Anschließend erzeugten Urbauer und seine Kollegen aus diesen Zellen Darm-Organoide – im Labor gezüchteten Miniversionen des Darms – und beobachteten in diesen Organoiden und in ganzen Mäusen, wie sich die defekten Mitochondrien auf das Epithel und die Darmflora auswirken.
Störung in Mitochondrien verändert das Mikrobiom
Dabei entdeckte das Team, dass durch die defekten Mitochondrien ähnliche Gewebeschäden im Darmepithel auftreten wie bei Morbus-Crohn-Patienten. Zudem waren in den Darmzellen der Mäuse ähnliche Stressgene aktiv wie sie für manche Stadien der Krankheit typisch sind. Nach Ansicht der Forschenden bestätigt dies die Vermutung, dass bei Morbus Crohn die Mitochondrien der Darmzellen nicht richtig funktionieren.
Darüber hinaus zeigte sich, dass auch das Mikrobiom im Darm der Mäuse auf die gestörten Mitochondrien reagierte. Die Zusammensetzung der Mikroorganismen war anders als bei gesunden Tieren. Insbesondere breiteten sich mehr Bakterien der Gattung Bacteroides aus. Urbauer und seine Kollegen schließen daraus, dass Störungen in den Mitochondrien Gewebeschäden im Darm und Änderungen im Mikrobiom auslösen.
Hoffnung auf neue Medikamente gegen Morbus Crohn
Die Erkenntnisse liefern nun Ansätze für neue Therapien bei Morbus Crohn. „Die große Hoffnung ist, dass man Wirkstoffe findet, die die Funktionalität gestörter Mitochondrien wiederherstellen, sie also sozusagen reparieren, und so die Darmschädigung als Auslöser für chronische Entzündungsprozesse begrenzt,“ sagt Seniorautor Dirk Haller von der TUM.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Arzneien, die auf die mitochondrialen Stoffwechselwege einwirken oder die Verbindungen zwischen Mikrobiom und Mitochondrien angehen, ein Schlüsselelement zu einer besseren Behandlung sein könnten.“ (Cell Host & Microbe, 2024; doi: 10.1016/j.chom.2024.06.013)
Quelle: Technische Universität München