Geschickt umgewandelt: Forscher haben ein Enzympaar entdeckt, das aus der Blutgruppe A die Blutgruppe Null machen kann. Die von einem Bakterium in unserem Darm produzierten Enzyme schneiden dafür einfach die charakteristischen Zuckermoleküle der Antigene auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen ab. Das Ergebnis ist universell einsetzbares Spenderblut, wie das Team im Fachmagazin „Nature Microbiology“ berichtet.
Bluttransfusionen können Leben retten – vorausgesetzt, die Blutgruppe stimmt. Passt das Blut von Spender und Empfänger nicht zusammen, werden die fremden Blutzellen vom Immunsystem zerstört. Schuld an dieser fatalen Unverträglichkeit sind unterschiedliche Moleküle auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen. Dazu gehören unter anderem die Blutgruppenfaktoren des AB0-Systems. Abhängig davon, ob sie die Blutgruppe A, B, AB oder Null besitzen, können Menschen nur ganz bestimmte Blutspenden empfangen.
Eine Ausnahme bildet das Blut der Gruppe Null: Weil Blutzellen dieser Gruppe keine das Immunsystem aktivierenden Antigene enthalten, werden sie von allen anderen Blutgruppen akzeptiert. Dieses Blut gilt daher als universelles Spenderblut und wird gerade für die Notfallversorgung dringend benötigt. Wegen seiner breiten Einsetzbarkeit besteht trotz einer Häufigkeit von rund 40 Prozent in der Bevölkerung allerdings ein ständiger Mangel an Blutkonserven der Gruppe Null.
Suche in unserem Darm
Aus diesem Grund suchen Forscher schon länger nach einer Möglichkeit, mehr von diesem begehrten Blut zu produzieren. Ihre Idee: Spaltet man die Antigene von Blutkörperchen der Gruppe A und B mithilfe von Enzymen ab, entsteht im Prinzip die Blutgruppe Null. Ein Enzympaar, mit dem dies tatsächlich gelingen könnte, haben nun Peter Rahfeld von der University of British Columbia in Vancouver und seine Kollegen entdeckt.
Auf der Suche nach passenden Enzymen widmeten sich die Wissenschaftler unserer Darmflora. Denn die Schleimschicht der Darmwand enthält zahlreiche Proteine mit bestimmten Zuckeranlagerungen, die in chemisch ähnlicher Form auch bei den Antigenen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorkommen. Der Clou: Genau von diesen Zuckermolekülen ernähren sich viele Bakterien im Darm. Sie müssten also Enzyme besitzen, die diese Zucker spalten können.
Ein vielversprechendes Enzympaar
Um Mikroben mit solchen Fähigkeiten zu identifizieren, durchforsteten Rahfeld und sein Team eine Darmflora-Datenbank nach passender DNA – und wurden bei einem Bakterium fündig. Die in unserem Verdauungstrakt heimische Spezies Flavonifractor plautii erzeugt zwei Enzyme, die sich für die Umwandlung der Blutgruppe A in Blutgruppe Null eignen.
Tests bestätigten, dass die Deacetylase FpCBM32 und die Galactosaminidase FpGH36 zusammen erfolgreich das terminale Zuckermolekül der Antigene auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen der Gruppe A abschneiden. Sie erzeugen somit rote Blutkörperchen der Gruppe Null, die vom Abwehrsystem keines potenziellen Empfängers als fremd erkannt werden.
Nur geringe Konzentration nötig
Das Entscheidende dabei: Anders als bei anderen bisher in diesem Zusammenhang untersuchten Enzymen ist für die Umwandlung einer vollständigen Blutkonserve nur eine sehr geringe Konzentration des Enzympaars nötig. Außerdem lassen sich die Enzyme nach der Behandlung mit einfachen Maßnahmen wieder vollständig aus dem Blut entfernen, wie die Forscher berichten.
Sie sehen deshalb ein großes Potenzial für den Einsatz der beiden nun identifizierten Enzyme. Allerdings müssten weitere Untersuchungen zunächst bestätigen, dass nach der Behandlung wirklich keine Antigen-Spuren mehr im Blut enthalten sind und das Verfahren für die Blutempfänger sicher ist.
Praktische Hindernisse?
Auch nicht an der Studie beteiligte Experten halten die Entdeckung des Wissenschaftlerteams prinzipiell für vielversprechend: „Die Blutgruppe A hat eine Häufigkeit von 43 Prozent und könnte mit der enzymatischen Umwandlung in Blutgruppe Null die aktuellen Engpässe beheben“, kommentiert Johannes Oldenburg vom Universitätsklinikum Bonn. „Einem breiten Einsatz dieser Technologie stehen derzeit aber praktische Gesichtspunkte entgegen.“
So erfordere die Behandlung jeder einzigen Blutkonserve spezielle Reinräume, die gar nicht in jeder klinischen Einrichtung vorhanden sind. Außerdem stellt sich Oldenburg zufolge auch die Frage nach dem finanziellen Aufwand des Verfahrens. „In Deutschland mit einem Erythrozytenkonzentratpreis zwischen 70 und 90 Euro wäre es zurzeit sicherlich schwierig, dies wirtschaftlich abzubilden“, so sein Fazit. (Nature Microbiology, 2019; doi: 10.1038/s41564-019-0469-7)
Quelle: Nature