Genetisch bedingtes Risiko: Unsere Blutgruppe kann offenbar das Risiko für einen Schlaganfall beeinflussen, wie Forschende festgestellt haben. Demnach erleiden Menschen mit einer Genvariante für die Blutgruppe A rund 16 Prozent häufiger einen Schlaganfall als Gleichaltrige anderer Blutgruppen. Eine Genvariante für die Blutgruppe Null verringert hingegen das Schlaganfall-Risiko um zwölf Prozent. Ursache dafür könnte Einflüsse der Blutgruppen auf die Verklumpung des Blutes sein.
Die Blutgruppe AB0 bestimmt, welche Glykoproteine unsere Roten Blutkörperchen auf ihrer Oberfläche tragen oder ob diese fehlen. Dies beeinflusst nicht nur, wie kompatibel das Blut bei einer Transfusion ist, sondern auch die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten. So legen Studien nahe, dass vor allem die Blutgruppen A und AB mit einem höheren Risiko für Gefäßerkrankungen und Herzinfarkt verknüpft sein können. Träger der Blutgruppe A sind zudem oft anfälliger für Infektionen mit Durchfallerregern und dem Coronavirus SARS-CoV-2.
Fahndung nach Risikovarianten
Einen weiteren Zusammenhang hat nun ein internationales Forschungsteam um Thomas Jaworek von der University of Maryland in Baltimore aufgedeckt. In einer Metaanalyse von 42 Genomstudien hatten die Wissenschaftler nach Genvarianten gesucht, die das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall besonders bei Menschen unter 60 Jahren erhöhen. Dabei verglichen sie die Genome von knapp 17.000 Schlaganfallpatienten und rund 600.000 gesunden Kontrollpatienten.
Tatsächlich wurden die Wissenschaftler fündig: Es gab zwei Genvarianten, die sich in ihrer Häufigkeit bei den Schlaganfall-Patienten und der Kontrollgruppe signifikant unterschieden. Beide Genvarianten lagen in der Genomregion, die auch die AB0-Blutgruppe bestimmt. Eine der beiden Varianten, bei der eine DNA-Base an Position rs8176685 fehlte, war mit der Blutgruppe A verknüpft. Die andere, ein Basenaustauch an Position rs529565, mit der Blutgruppe 0.
Blutgruppe 0 schützt, A macht anfälliger
Das Interessante jedoch: Das Auftreten dieser beiden Genvarianten war mit einer signifikanten Veränderung des Schlaganfallrisikos verbunden, wie Jaworek und seine Kollegen feststellten. „Die Genvarianten in den Blutgruppen A und 0 zeigen einen risikosteigernden beziehungsweise schützenden Zusammenhang mit dem ischämischen Schlaganfall“, berichten sie. Die Genvariante in Blutgruppe A erhöhte dabei vor allem das Risiko für einen frühen Schlaganfall.
Konkret zeigte sich, dass Träger der Blutgruppe A dadurch ein um 16 Prozent erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall vor dem 60. Lebensjahr haben als gleichaltrige Menschen des gleichen Geschlechts mit anderen Blutgruppen. Umgekehrt senkt die Blutgruppe Null das Risiko um zwölf Prozent. „Eine Assoziation dieser Genvarianten mit einem Schlaganfall in höherem Alter war zwar auch ablesbar, aber deutlich schwächer“, erklärt Jaworeks Kollege Braxton Mitchell.
Zusammenhang mit Blutgerinnung vermutet
Was aber steckt dahinter? „Wir wissen noch nicht genau, warum die Blutgruppe A ein höheres Risiko bedingt, aber es hat wahrscheinlich etwas mit Blutgerinnungsfaktoren wie den Blutplättchen und den Zellen der Gefäßwände zu tun, vielleicht auch mit im Blut zirkulierenden Proteinen, die alle zusammen eine Rolle bei der Entwicklung von Blutgerinnseln spielen“, erklärt Seniorautor Steven Kittner von der University of Maryland. So gibt es Hinweise darauf, dass der AB0-Genort auch mit der Neigung zu Venenthrombosen und Herzinfarkt verknüpft ist. Eine Genvariante der Blutgruppe Null beeinflusst zudem den Gerinnungsfaktor VIII und sein Trägerprotein.
„Wir brauchen auf jeden Fall noch weitere Folgestudien, um die Mechanismen dieses erhöhten Schlaganfall-Risikos aufzuklären“, sagt Kittner. Er betont aber auch, dass Menschen mit Blutgruppe A deswegen nicht in Panik geraten sollten. Denn absolut betrachtet sei die Risikoerhöhung nur gering. (Neurology, 2022; doi: 10.1212/WNL.0000000000201006)
Quelle: University of Maryland School of Medicine