Verräterische Spritzer: Blutspuren könnten Rechtsmedizinern künftig das Alter von Opfern und Verdächtigen in einem Kriminalfall verraten. Denn: Bestimmte Blutbestandteile verändern im Laufe des Lebens ihre Struktur – und diese Veränderungen erlauben zuverlässige Rückschlüsse darüber, ob eine Person noch Kind, jugendlich oder erwachsen ist. Wie Forscher berichten, muss die Genauigkeit der Methode zwar noch verfeinert werden. In Zukunft könne sie die Arbeit von Tatortermittlern aber erheblich erleichtern.
Neben Fingerabdrücken sind Blutspritzer die wohl verräterischsten Spuren an einem Tatort. So können Rechtsmediziner anhand der Form und Verteilung von Blutspuren Rückschlüsse auf den Hergang des Geschehens ziehen. Außerdem enthält Blut DNA – und damit wichtige Hinweise auf die Identität von Täter und Opfer. In Zukunft könnte die Körperflüssigkeit sogar noch ein weiteres Geheimnis lüften: das Alter desjenigen, der die roten Spuren hinterlassen hat.
Bisher führen Forensiker Altersbestimmungen entweder mittels Analyse von Knochen und Zähnen durch oder indem sie ein DNA-Profil erstellen. Das Problem: Für Ersteres braucht man einen Körper, für Letzteres eine Übereinstimmung in einer Datenbank, die die Person und somit ihr Alter eindeutig identifiziert. Doch diese Bedingungen sind mitnichten bei jedem Kriminalfall gegeben.
Strukturelle Veränderungen
Aus diesem Grund haben Kyle Doty und Igor Lednev von der University at Albany nach einem alternativen Lösungsansatz gesucht. Ihre Idee: Um das Alter eines Menschen abzuschätzen, könnte man Biomarker untersuchen, die sich im Laufe des Lebens verändern. Dies trifft zum Beispiel auf einige Bestandteile menschlichen Blutes zu, insbesondere auf Hämoglobin.
Der Proteinkomplex, der roten Blutkörperchen ihre Farbe verleiht, verändert mit zunehmendem Alter seine molekulare Struktur. Diese wiederum lässt sich mithilfe der sogenannten Raman-Spektroskopie ermitteln, wie die Wissenschaftler berichten. Könnte sich die nach einem indischen Physiker benannte Methode also eignen, um aus Blutspritzern am Tatort das Alter der beteiligten Personen zu rekonstruieren?
Erstaunlich genau
Um dies zu überprüfen, sammelte das Forscherteam Blutproben von 45 Probanden aus drei unterschiedlichen Altersklassen: Neugeborene unter einem Jahr, Jugendliche zwischen elf und 13 sowie Erwachsene zwischen 43 und 68 Jahren. Würden sie erkennen, welche Probe zu welcher Altersgruppe gehörte?
Tatsächlich zeigte sich: Mithilfe der Raman-Spektroskopie ließ sich gut zwischen den einzelnen Gruppen unterscheiden. So ordneten die Forscher die Proben der Jugendlichen und Erwachsenen mit einer Genauigkeit von über 99 Prozent zu. Mit dem Blut der Neugeborenen passierte ihnen sogar kein einziger Fehler.
Schnelles Ergebnis
Obwohl bekannt ist, dass Faktoren wie die Ernährung oder der Gesundheitszustand das biologische Alter einer Person beeinflussen können, schienen sich solche Variablen nicht auf die Ergebnisse auszuwirken. Nach Ansicht der Wissenschaftler eignet sich ihre Methode daher womöglich tatsächlich für eine ungefähre Altersbestimmung.
Künftig könnten Rechtsmediziner so direkt am Tatort die Frage beantworten, ob als Verdächtiger eher ein junger Heranwachsender oder ein Senior gesucht wird. Denn die Proben müssen für die Untersuchung nicht aufwändig aufbereitet werden, wie es für manch anderes Verfahren nötig ist. Ein Ergebnis sei daher innerhalb nur einer Stunde möglich, berichten Doty und Lednev.
Weiter verfeinern
Bis es soweit ist, sind allerdings weitere Studien nötig. Zum einen muss die Zuverlässigkeit der Methode in größeren und heterogeneren Probandengruppen bestätigt werden. Zum anderen planen die Wissenschaftler, das Verfahren weiter zu verfeinern und somit noch genauer zu machen. Ihr Ziel: Forensiker sollen in Zukunft nicht nur die Zugehörigkeit zu einer weit gefassten Altersgruppe bestimmen können, sondern das exakte Alter. „Dies könnte für Tatortermittler eine wertvolle Hilfe sein“, schließt das Team. (ACS Central Science, 2018; doi: 10.1021/acscentsci.8b00198)
(American Chemical Society, 21.06.2018 – DAL)